4 Meister-Psychos
Seine Nägel schnitten mir ins
Fleisch. Es war soweit. Die Würgemale brauchte ich noch, sie waren wichtig.
Peters Finger krampften sich zusammen.
»Du Schwein«, zischte er. »Du
elendes Schwein!«
Ich begann zu röcheln. Ich tat,
als erschlaffte ich schon. Meine rechte Hand fuhr in die Brusttasche. Peters
merkte nichts.
Meine Finger schlossen sich um
den Kolben. Mein Daumen tastete nach dem Sicherungsflügel und drückte ihn
herunter.
Ich riß die Waffe heraus und
fühlte, wie die Mündung sich in Peters Jacke verfing.
Eine Sekunde verging noch.
Seine letzte.
Ich schoß.
Ein Schlag fuhr durch seinen
Körper. Seine Hände ließen mich los. Ich taumelte zurück. Er stand mit
hängenden Armen da. Über sein Gesicht breitete sich ein ratloser Zug. Sein
keuchender Atem brach plötzlich ab, seine hellen, wutglänzenden Augen
erloschen.
Einen Augenblick stand er noch
da. Dann knickte er in den Knien ein und schlug vornüber.
Er war tot, ehe er den Boden
berührte.
Er war gestorben, ohne zu
wissen, was ihm passiert war.
Es war ganz still um mich. Ich
wankte zum Stuhl, ließ mich hineinfallen.
Geraume Zeit saß ich so. Das
Blut lief über mein Gesicht. Ich lauschte, ob Stimmen oder Schritte zu hören
waren. Aber nichts rührte sich.
Ich selbst hatte den Schuß kaum
gehört. Das Fenster war wieder geschlossen. Das Haus war alt und solide gebaut.
Kein Mensch brauchte etwas bemerkt zu haben.
Als es mir besserging, stand
ich auf und suchte tastend nach meiner Brille. Sie lag am Bücherschrank. Das
linke Glas war zertrümmert. Ich brauchte es nicht mehr. Mein linkes Auge war
ohnehin zugeschwollen. Dann sah ich nach Peters. Er lag auf dem Gesicht, die
Hände vorgestreckt, das rechte Bein halb angezogen. Ich fühlte seinen Puls.
Er schlug nicht mehr.
Ich suchte in seinen Taschen.
Der Zimmerschlüssel war da und ein Schlüsselbund. Ich nahm beides an mich.
Dann schloß ich die Zimmertür
auf. Im Korridor brannte ein Licht. Ich ging zum Bad und blickte in den
Spiegel. Mein Gesicht war blutbeschmiert und verschwollen. Am Hals hatte ich
rote, schmerzhafte Druckstellen. Sehr gut.
Ich wusch das Blut ab und
säuberte meine Hände. In der Küche holte ich mir eine Tasse, goß sie halb voll
Rum und trank sie aus. Langsam wurde mir besser.
Als ich ins Wohnzimmer
zurückkam, roch ich beißenden Qualm, der als bläuliche Wolke um die Lampe hing.
Ich ging zu dem Wandschrank und probierte die Schlüssel. Der vierte paßte. Ich
nahm das Glas mit dem Cocktail heraus, nahm auch meins mit und trug beide in
die Küche. Mit glucksendem Geräusch lief die dunkle Flüssigkeit durch den Rost
des Ausgusses.
Das letzte Strontium. Ich
brauchte es nicht mehr.
Ich spülte die Gläser zehn
Minuten lang unter fließendem Wasser und wusch mir noch einmal die Hände.
Im Zimmer öffnete ich das
Fenster, Langsam zog der Rauch ab. Auf dem Tisch lag der FH 40. Ich nahm ihn an
mich. Das Radio war noch eingeschaltet, und ich stellte es ab.
Alles andere konnte bleiben,
wie es war.
An der Tür warf ich einen Blick
zurück. Peters lag da. Er schlief einen langen Schlaf. Er hatte sich
verkalkuliert, Nun gut, fein.
Ich zog meinen Mantel an. Den
FH 40 steckte ich in meine Tasche. Dann löschte ich das Licht und ging langsam
die Treppe hinunter.
Auf der Straße war die gleiche
Ruhe wie oben, Einzelne Fenster waren noch erleuchtet.
Ich ging den Weg zurück, den ich
gekommen war. Schon vor der Brücke nahm ich die Büchse und den FH 40 aus der
Tasche. Als ich das Geländer erreichte, sah ich mich rasch um.
Kein Mensch war in der Nähe.
Ich warf beide Gegenstände hinunter. Es platschte leise. Irgendwo rief ein
Vogel. Dann war wieder Stille.
Es war zwanzig Minuten nach
zwölf, als ich meine Wohnung aufschloß. Ich setzte mich an den Schreibtisch und
schrieb zwei Briefe.
Einen an meine Eltern. Den
zweiten an Professor Paulus.
Er würde äußerst ungehalten
sein, wenn am Montag das Isotopenlabor leerstand. Ich frankierte die Umschläge
und klebte sie zu. Dann packte ich Waschzeug, zwei Handtücher, einen
Schlafanzug und Zigaretten in meine Aktentasche. Die Untersuchungshaft würde
einige Zeit dauern.
Meiner Wirtin legte ich einen
Zettel auf den Schreibtisch. Ich hätte verreisen müssen.
Ich nahm noch zwei
Schmerztabletten und trank ein Glas Wasser. Mit einem Blick nahm ich Abschied
von meinem Zimmer und von Veras Bild auf dem Schreibtisch. Ich hatte alles für
sie getan. Mehr konnte keiner tun.
Wenig später war ich wieder auf
der
Weitere Kostenlose Bücher