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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Jazzsänger
seligen Angedenkens.
    Schön langsam, dachte Al. Und
Vornamens-Vetter. Das mußte gehen. Er zog die Gitarre an sich, seine Finger
suchten die Saiten.
    Mr. Henry krümmte den Rücken,
seine Nase senkte sich. Viermal schlug sein Fuß auf den Boden, dann perlte das
Vorspiel unter seinen Händen auf.
    Al erwischte seinen Einsatz
richtig. Er war aufgeregt, schlug im Anfang zu laut, bis eine Handbewegung
Johnnys ihn dämpfte, fand den übermäßigen B-Akkord nicht und ließ ihn aus.
    Seine linke Hand war feucht,
und mit der rechten hielt er das Plättchen viel zu fest. Er meinte, daß
sämtliche Gäste ruckartig ihre Köpfe nach ihm umwenden müßten, aber nichts
dergleichen geschah. Dann hatte er ein paar Takte Pause, sah sich die Noten
genau an, holte tief Luft — weiter.
    Es ging! Weiß Gott, er konnte
es noch, er kam wieder rein!
    Johnny nickte leise, und Steve
zwinkerte ihm über die Trommeln hinweg zu.
    Steve war ein Schlagzeuger von
Gottes Gnaden, aber faul. Er schlug mit weicher, müder Grazie. Später bemerkte
Al, daß er das Tempo zu einem wirbelnden, betäubenden Gehämmer steigern konnte,
aber das geschah meist erst nach einer gewissen Füllung mit Gordons
unvergleichlichem Gin, den Alastair gestern so teuer bezahlen sollte und nicht
konnte. Erhielt Steve keinen Gin, gähnte er ungeniert bei den ergreifendsten
Weisen, und die Jazzbesen in seinen Händen glitten schleppend über die
Trommeln.
    Jetzt setzte Johnny ein. Wenn
er die Finger spreizte, reichte ihre Spannweite über sämtliche Klappen des
Saxophons, von oben bis unten. Er warf beim Spielen den Kopf zurück, und die
Seitenansicht seiner hageren Figur glich mit ihren Krümmungen erschreckend der
des Saxophons. Glockenrein stieg die Melodie vom Sonny Boy aus dem Trichter.
Alastair schlug noch behutsamer, tun Johnnys Spiel nicht durch laute und
falsche Akkorde zu stören.
    Der Beste von dem Haufen war
Jack Henry. Es war nicht ohne weiteres zu klären, was größeren Genuß bereitete:
Mr. Henry spielen zu hören oder ihn dabei zu sehen. Er vibrierte von Musik und
der Flügel mit ihm. Er schlenkerte die Ellenbogen, und die Spannweite seiner
Finger war noch größer als die von Johnny. Mit geschlossenen Augen und
glühender Nase lauschte er den Tönen, die unter seinen Händen hochstiegen. Die
Hände krallten sich in die Tasten und streichelten sie, konnten zärtlich
darüber hinstreichen und glashart hineinhauen. Er verschmolz mit dem Klavier zu
einem einzigen, lebenden Organismus. Al spürte, wie ihn dieser Mann mitnahm und
ihm den Takt aufzwang, daß er ihn nur anzusehen brauchte, um dabeizubleiben.
    Ein paar Leute klatschten verhalten,
als der Sonny Boy zu Ende war. Henry nickte über die Schulter.
    »Na ja. Geht ja. Bete und
arbeitete, dann wird’s schon.«
    Al spielte weiter. Langsam
begannen die Fingerkuppen zu brennen, und das Kreuz wurde steif. Aber er
spielte. Wahrhaftig, das Leben war bunt!
    Gestern hatte er noch brütend
vor seinem letzten Shilling gesessen. Dann wechselte er einem Rolls den
Plattfuß und erntete zwei Pfund, die er Sekunden später wieder los wurde. Er aß
und trank, ohne Geld, mit einem bildschönen Mädchen am Tisch, das ihn erst
überhaupt nicht sah, nachher für ihn bezahlte und mit dem Wagen davonfuhr, den
er wieder flottgemacht hatte. Darauf nächtigte er wie ein Pennbruder auf einer
Bank im Park, ein Bobby weckte ihn roh aus süßen Träumen, und wieder fand sich
ein Mädchen, das ihm Rettung brachte!
    Heute saß er nun mit diesem
Wunderknaben von Henry und seiner Gilde zusammen und klimperte auf einer
Gitarre, die ihm nicht gehörte.
    Sollte einer noch sagen, daß er
ein ausgesprochener Pechvogel sei!
     
     
    Alastair erwachte von Mrs.
O’Learys Klopfen.
    »Brief für Sie! Kam schon
gestern mit der Nachmittagspost.«
    »Danke.«
    Er setzte sich im Bett aufrecht
und nahm den Umschlag aus Mr.s O’Learys schwieliger Hand.
    Absender Dan Chucks.
    Als schüttelte den Kopf. Nie
gehört. Als erstes fiel ihm sein Personalausweis samt Familienbildnis auf die
Bettdecke. Ein zusammengefalteter Bogen folgte. Staunend las Alastair:
    »Geehrter Mr. Maycock!
    Das Schicksal zwang mich,
gerade Ihnen gestern abend die Brieftasche zu stehlen. Von der anderen
Straßenseite konnte ich beobachten, wie der alte Knabe Ihnen die Scheine
verehrte. Ich arbeite nur noch selten in meinem alten Beruf, aber gewisse
Umstände zwingen mich immer mal, mich dessen zu erinnern. Ihre zwei Pfund
halfen mir aus großer Verlegenheit. Durch

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