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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Arm. Jacks Sohle klopfte viermal auf das glänzende Parkett,
ein paar Takte Klavier — dann setzten Al und Steve ein, und Al Jolsons
Evergreen füllte den Raum.
    Al brauchte keine Noten, er
konnte das Ding im Schlaf. Jeden Abend spielten sie es zur Eröffnung. Er sah im
Raum herum, dann zur Tür. Mr. Hatch stand nicht mehr dort. Eben wollte Al
seinen Blick wieder zu Mr. Henrys federndem Rücken wenden, da weiteten sich
seine Augen. Eine heiße Welle lief über seinen Körper, und er setzte ein paar
Takte aus.
    Henry und Johnny wandten die
Köpfe.
    Al fuhr zusammen und schlug
weiter, wie ein Roboter im Traum. Er traute seinen Augen nicht.
    Im Türrahmen stand das schwarze
Mädchen von seinem Tisch im Little Paris, und sie war noch schöner als
an jenem Tag.

IV
     
     
    Sein Zwerchfell zog sich
zusammen, und er atmete kürzer. Gab es so was auch? Wie eine Fee aus dem
Märchenland stand sie da. Jede Schönheitskönigin hätte sich nach ihr umgedreht.
Ihr Kleid war schwarz und matt, ließ die Schultern frei, nur ihre Brust schien
es zu halten. Zwischen dem schwarzen Saum und dem dunklen Haar schimmerte ihre
Haut, und ihre Augen glänzten warm und hell.
    Al sah, wie ein schlanker Mann
vor sie hintrat und ihre Hand küßte. Sie nickte, lächelte, sprach. Wer war der
Bursche? Eins von diesen Söhnchen reicher Eltern wahrscheinlich, die allen
Mädchen dasselbe erzählen und ein Wochenendhaus haben.
    Al begann, Furcht vor diesem
Abend zu bekommen. Sie in seiner Nähe! Aus war’s mit dem Seelenfrieden.
    Der Sonny Boy verklang.
Mr. Henry erkundete die Stimmung durch einen raschen Rundblick. Die Leute waren
aufgedreht, schienen sich nach Bewegung zu sehnen. »Bleu Heaven«, sagte
er halblaut. War nicht mehr das Neueste, aber für diese Umgebung nicht schlecht
und neutral. Steve zog seine E-Saite nach und grinste. Ob sie tanzt? dachte Al.
    Sie tanzte.
    Henry stieß ein paar klirrende
Akkorde in die Tasten. Als Johnny weich einsetzte, und Steve und Al
gleichzeitig losschlugen, machte der Verehrer eine untadelige Verbeugung. Mit
lässiger Zustimmung hob sie die Arme.
    Als Finger glitten mechanisch
über das Griffbrett. Ja, da tanzte sie. Er konnte keinen Blick von ihr wenden.
Jetzt verschwand sie hinter der Gestalt ihres Partners,
    jetzt kam sie wieder. Alles war
schön an ihr, einfach alles.
    Al erinnerte sich, daß er
einmal versucht hatte, die Einzelteile von ausgeschnittenen Mädchenbildern aus
Illustrierten zur Frau seiner Träume zusammenzusetzen. Kopf von Jane Wyman,
Beine von Virginia Mayo, Mittelteil von Marilyn Monroe und so weiter. Und da,
zehn Meter von ihm weg, tanzte das alles herum, proportioniert und ohne
Klebstoff. Sie drehte sich, stoppte mit einem Side-Stepp, der Rock schwang in
einer Spirale um ihre Nylons und fiel zurück. Aber das, was Al gesehen hatte,
genügte, um Virginas Mayos Beine zu entthronen.
    Jetzt setzte das Saxophon aus.
Johnny stand auf, schlug ein paarmal im Takt gegen den Trichter der Trompete,
ehe er sie ansetzte. Dann stieg der Chorus glasklar und steil über die Köpfe.
    Was soll ich tun, wenn sie mich
erkennt? dachte Al. Sie angrinsen? Würdevoll das Haupt neigen? Wahrscheinlich
werde ich aus dem Takt kommen, dachte er und seufzte leise. Mit einem berstend
hohen Ton endete Johnny. Aus allen Ecken erklang Klatschen, und blickten
erhitzte, freudige Gesichter. Mr. Henry wandte die Nase zum Saal und senkte sie
gemessen.
    »Tennessee«, murmelte er dann.
    Al schlug und summte leise den
Text mit. Ja, heute abend bin ich einsam. Sie hat einen anderen, würde mich
sowieso nicht ansehen, selbst wenn sie keinen hätte, und außerdem war das alles
Quatsch. Je eher er sie vergaß, desto besser. Wäre er bloß nicht hier her
gekommen. Als wollte... heiliger Strohsack, das Solo! Er kam gerade noch mit
dem Einsatz zurecht. Für die nächsten zwei Minuten mußte er die Augen auf die
Saiten heften und ihre Beine vergessen. Der Verstärker trug die wehmütig
schwingenden Töne durch den Raum. Mr. Henry wiegte sich auf seinem Sessel und
tupfte leise die Tasten, als wollte er dem Alleingänger helfen. Noch einmal
fielen sie ein, dann war Schluß. Die Leute schienen zufrieden.
    Al sah zu dem Mädchen hinüber.
Sie löste sich von ihrem Tänzer. Er führte sie zu einem der Sessel und bettete
sie förmlich hinein. Ein paar Leute traten dazu und verdeckten sie vor Mr.
Maycocks sehnsüchtigem Blick.
    »Na, was meint ihr?« fragte
Jack. »Denke, wir kommen an.«
    »Denke auch«, sagte Steve. Er
schnupperte.

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