4 Meister-Psychos
begann er, als
sie sich gesetzt hatten, »ich möchte morgen früh gern die Sache bei Lansby
erledigen, ‘s ist besser, wenn ich heute abend noch reinfahre. Braucht einer
von euch den Wagen?« Er sah sich im Kreise um.
Lady Cynthia antwortete nicht
sofort.
»Du wirst den Zug nehmen
müssen, Luther. Der Wagen ist in Reparatur.«
»Reparatur?« Seine Augen
hefteten sich auf Al. »Was hat er denn?«
»Mr. Maycock ist aufgefallen,
daß an der Lenkung etwas nicht in Ordnung war. Der Wagen ist in zwei Tagen
wieder hier. Besser, er wird nachgesehen, ehe etwas passiert.«
Al dachte an seine Rippe. Er
sah Bradfords ungläubiges Gesicht.
»Steuerung? Merkwürdig. Habe
noch nie etwas davon bemerkt.«
»Das glaube ich gern, Aubrey.«
Eine Spur von Hohn schwang in ihrer Stimme. »Deine Vorfahren waren Soldaten und
nicht Rennfahrer.«
Bradford preßte die Lippen
zusammen. Al wurde unbehaglich zumute. Luthers Augen gingen rasch von einem zum
anderen. Dann lächelte er.
»Schade. Ich wollte so gern den
dicken Mann markieren.«
»Ich bezweifle nicht, daß du
das auch im Zug kannst«, sagte Lady Cynthia kühl.
Wie ein Schatten tauchte Hatch
auf, und das Gespräch verstummte.
Sie will die Geschichte
geheimhalten, dachte Al. Wer kann der Mann im Park gewesen sein? Luther oder
Bradford? Oder ein Fremder?
Nach dem Essen verabschiedete
sich Luther.
»Wiedersehen, Tante Cynthia.
Morgen abend bin ich zurück. Wiedersehen allerseits. Kommst du ein Stückchen
mit zum Bahnhof, June?«
»Nein, Luther — sei mir nicht
böse, bitte. Ich lege mich gleich hin — habe Kopfschmerzen...«
»Aber wo denn! Nimm eine
Tablette, dann verschwinden sie. Also bis morgen!«
Später, als Al oben am Fenster
stand, sah er ihn mit schlendernden Schritten durch das Tor gehen.
VIII
Die Sonne zeichnete das helle
Rechteck des Fensters auf den Fußboden, aber es dauerte geraume Zeit, bis Al
ganz wach war. Er holte tief Luft und streckte die Glieder. Dann erst bemerkte
er die Hand des Butlers auf seiner Brust. Kleine Schweißperlen standen zwischen
den Härchen des Handrückens.
»Mmhh — Mr. Hatch — was ist
denn?«
»Verzeihung, Mr. Maycock. Sie
hörten mein Klopfen nicht — schliefen ganz fest.« Er sah sich um, sprach hastig
weiter. »Lady Cynthia — sie antwortet nicht.«
»Antwortet nicht?«
»Nein. Habe versucht, sie zu
wecken. Seit zehn Minuten klopfe ich schon.«
»Wie spät ist es denn?«
»Ein Viertel nach sieben.«
»Meine Güte! Steht sie immer so
früh auf?«
»Immer. Aber es dauert lange,
bis sie herunterkommt. Was soll ich tun, Mr. Maycock?«
»Probieren Sie’s noch mal.
Ziehe mich inzwischen an.«
»Hat sie doch auf mich gehört?
dachte Al. Sie ist fort und hat keinem von ihnen etwas gesagt. Das Klügste, was
sie tun konnte.
Er war noch nicht fertig, als
der Butler wieder erschien. »Nun?«
»Nichts. Kein Laut kommt aus
ihrem Zimmer.«
»So?«
Al sah in den Spiegel und
befühlte sein unrasiertes Kinn.
»Scheint Sie gar nicht zu
beunruhigen, Mr. Maycock?«
»Noch nicht. Vielleicht ist sie
gar nicht da.«
»Nicht da? Wo sollte sie denn
sein?«
»Keine Ahnung. Aber es wäre
möglich.« Al nahm seine Jacke vom Stuhl. »Ich hoffe, das Haus erträgt es, wenn
ich es unrasiert durchquere. Kommen Sie — gehen wir runter!«
Hinter der Tür zu Lady Cynthias
Schlafzimmer regte sich nichts. Al klopfte laut und energisch. Keine Antwort.
Er bückte sich und versuchte, durch das Schlüsselloch zu sehen.
»Habe es auch schon probiert«,
gestand Hatch. »Nichts zu sehen. Der Schlüssel steckt.«
Al zog seine Nagelfeile aus der
Tasche und schob sie in die Öffnung. Tatsächlich, der Schlüssel steckte von
innen.
»Gibt es noch einen Schlüssel
zu dieser Tür?«
»Nein. Das heißt — ich weiß von
keinem.«
»Hat sie sich immer
eingeschlossen?«
»Ja. Oder vielmehr
eingeriegelt. Innen ist noch ein Riegel, wissen Sie. Dem Schloß hat sie nicht
getraut.«
»Hm. Hat das Zimmer noch einen
anderen Ausgang?«
»Nur den zum Bad. Aber von dort
kommt man nicht weiter.«
Al klopfte noch einmal, ließ
die Hand sinken. Wie hatte sie das nur gemacht, zum Teufel?
»Tja, ich glaube, es ist das
beste, wenn wir Sir Aubrey Bescheid sagen. Wir können die Tür nicht so ohne
weiteres aufbrechen — wenn wir das überhaupt schaffen.«
Hatch machte ein ängstliches
Gesicht.
»Schon gut, Mr. Hatch. Ich
mache das. Warten Sie hier.«
Bradfords Zimmer lag im
gleichen Stock, aber auf der anderen Seite. Es dauerte eine Weile, bis er
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