4 Meister-Psychos
sich
meldete.
»Maycock. Muß Sie einen
Augenblick sprechen, Sir Aubrey.«
Ein Knurren war die Antwort. Al
hörte das Knarren von Bettfedern und Bradfords Gelenken. Dann kamen schlurfende
Schritte auf die Tür zu. Bradford trug einen verblichenen Morgenrock, und sein
graues Haar stand wirr um das verschlafene Gesicht.
»Nun?«
»Tut mir leid, Sie zu stören,
Sir Aubrey. Hatch hat mich geweckt. Es handelt sich um Lady Cynthia. Ihr Zimmer
ist verschlossen, und sie antwortet nicht.«
Bradford sah ihn an, als könne
er nicht begreifen.
»Wir dachten, daß sie
vielleicht gar nicht da ist, und Sie darüber Bescheid wüßten.«
»Weiß von gar nichts«, knurrte
Bradford.
»Sollen wir die Tür
aufbrechen?«
»Warum, zum Teufel, wollen Sie
da gleich die Tür aufbrechen?«
»Der Schlüssel steckt von
innen.«
Bradford schüttelte unwillig
den Kopf. Dann zog er den Gürtel fest um den Schlafrock und trat hinaus.
Hatch begrüßte ihn respektvoll.
Bradford schlug mit der Faust gegen die Türfüllung.
»Cynthia! He, Cynthia!«
Drei- oder viermal rief er
vergeblich.
»Kriegen wir die Tür auf?«
»Das Schloß vielleicht«, sagte
Al. »Für den Riegel sehe ich schwarz.« Er überlegte. »Da sind noch die Fenster.
Wenn sie eins offengelassen hat, kommen wir vielleicht mit einer Leiter ran.
Moment — ich sehe nach.«
Er lief nach unten.
Im Park zwitscherten die Vögel,
die Sonne stand hoch in der hellen Luft.
Oben sah Hatch aus einem der
Fenster und deutete nach rechts. Die beiden angrenzenden waren geschlossen, und
das Sonnenlicht fiel auf dunkle Vorhänge. Eine seltsame Unruhe erfaßte Al, während
er hinaufsah. Wenn sie doch noch im Zimmer war...
Ach was. Irgendein verborgener
Ausgang würde existieren, das war es. In diesen alten Bauten war das nichts
Besonderes.
Langsam ging er hinauf. June
stand bei den anderen. Sie trug einen langen Morgenmantel aus schwarzer Seide,
unter dem nur die Spitzen ihrer Pantoffeln hervor sahen. Ihr Gesicht war frisch
und rosig, aber in ihren Augen stand Furcht.
»Guten Morgen, Miß June. Sie
wissen auch nichts?«
»Nein. Ich kann mir das nicht
erklären. Tante hat mir nichts gesagt.« Bradford lachte heiser und unangenehm.
»Wäre das erste Mal, daß sie
uns gesagt hätte, was sie vorhat. Ausgesprochen freundlich von ihr, uns hier
vor dem Frühstück einen Schrecken einzujagen.«
June sah ihn wütend an.
»Du solltest nicht so reden,
Onkel. Du weißt, wie es mit ihrem Herzen steht. Wer weiß, ob ihr nicht etwas
passiert ist.« Sie sah aus, als wollte sie anfangen zu weinen.
»Die Fenster sind zu, Sir
Aubrey«, sagte Al. »Aber sie werden leichter zu öffnen sein als diese Tür. Gibt
es eine Leiter, Mr. Hatch?«
»Keine so lange.«
»Hm. Moment.«
Al ging zur Tür des
angrenzenden Zimmers, die Hatch offengelassen hatte. Es diente Lady Cynthia als
privater Empfangssalon. Ein altmodischer Schreibtisch und Stühle mit faserigen
Polstern standen herum.
Al sah aus dem Fenster. Der
Mauervorsprung, der unter dem Sims an der Wand entlanglief, war gerade so
breit, wie sein Fuß lang war. Mit einem bißchen Angstschweiß würde es gehen.
Die anderen waren ihm gefolgt.
Al zog seine Jacke aus.
»Was haben Sie vor?«
»Wenn Sie nichts dagegen haben,
Sir Aubrey — außen kann ich an der Mauer entlang bis zu Lady Cynthias Fenster.
Die Scheibe wird billiger sein als der Türrahmen. Seien Sie so gut, und holen
Sie mir ein altes Handtuch, Mr. Hatch.«
Junes Stimme klang sehr
energisch.
»Mr. Maycock — das dürfen Sie
nicht! Wir holen einen Schlosser und lassen die Tür aufbrechen! Niemand hat
etwas davon, wenn Sie sich den Hals brechen!«
Sie hat Angst um mich, dachte
Al beglückt. Sie ist wundervoll. Aber die Frauen sind komisch. Niemals verzeiht
sie mir, wenn ich jetzt nachgebe.
»Miß June«, sagte er
besänftigend, »es ist die einfachste Sache der Welt. Ich verspreche Ihnen, daß
nichts passiert. Der Schlosser hätte nichts Eiligeres zu tun, als die
Geschichte in der ganzen Gegend herumzuerzählen. So wissen wir in fünf Minuten
Bescheid.«
»Willst du das zulassen,
Onkel?«
»Laß ihn«, sagte Bradford müde.
»Er ist alt genug, um zu wissen, was er tut. Und wir müssen rausbekommen, was
mit deiner Tante los ist.«
Junes Atem ging schnell, aber
sie schwieg, Hatch kam mit dem Tuch, und Al wickelte es um seine rechte Hand.
Dann kletterte er über das Fensterbrett und ließ die Füße auf die Leiste
hinunter.
»Machen Sie sofort auf, wenn
Sie drin sind!« Bradford sagte
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