4 - Wächter der Ewigkeit
zweite.
»Später … Vielen Dank für die Einladung«, brummte ich. Wieder im Büro der Nachtwache zog ich die Tür hinter mir zu.
Sie hatte noch nicht mal ein Schloss!
Die Lichten guckten etwas betreten drein.
»Die Nachtwache«, presste ich hervor. »Bei den Kräften des Lichts …«
»Wir sind alle ein wenig zusammengerückt. Gewerberäume sind teuer, die Miete …« Valentina Iljinitschna breitete die Arme aus. »Schon vor zehn Jahren haben wir in dem Haus die beiden Büros eingerichtet.«
Ich führte einige Passes aus, worauf die Wand, die das Büro der Lichten von dem der Dunklen trennte, einen Moment lang in blaues Licht getaucht wurde. Die Dunklen in Samarkand dürften kaum über einen Magier verfügen, der imstande wäre, einen von einem Hohen gewirkten Zauber aufzuheben.
»Sie übertreiben, Anton«, tadelte mich Valentina Iljinitschna. »Sie werden uns nicht belauschen. So etwas tun wir hier nicht.«
»Sie sollen schließlich die Kräfte des Dunkels beobachten«, rief ich. »Sie kontrollieren!«
»Wir kontrollieren sie doch auch«, besänftige mich Timur. »Wenn sie gleich nebenan sind, können wir sie sogar noch leichter kontrollieren. Müssten wir die ganze Stadt durchkämmen, brauchten wir fünfmal mehr Personal.«
»Und die Schilder? Was ist mit den Schildern? Nachtwache? Tagwache? Die Menschen können die ja lesen!«
»Sollen sie sie ruhig lesen«, entgegnete Nodir. »Gibt es denn in der Stadt nicht genug solcher Büros? Wer sich verstecken will und kein Schild aufhängt, macht sich dagegen sofort verdächtig. Entweder hat er dann die Miliz im Haus oder Schutzgelderpresser. So wissen jedoch gleich alle: eine staatliche Organisation, von der kann man nichts holen, sollen sie also ruhig ihre Arbeit machen …«
Ich fasste mich wieder. Schließlich war das hier nicht Russland. Die Wache von Samarkand unterstand nicht unserer Jurisdiktion. In Belgorod oder Omsk dürfte ich Anordnungen erteilen und Forderungen stellen. Den Samarkander Wächtern hatte ich indes nichts zu sagen – selbst wenn ich ein Hoher war.
»Ich verstehe das ja. Aber in Moskau wäre dergleichen undenkbar … Tür an Tür mit den Dunklen zu sitzen!«
»Sollen sie da ruhig sitzen, was ist schon dabei?«, meinte Valentina Iljinitschna versöhnlich. »Sie sitzen da und Schluss. Ihre Arbeit ist ja auch kein Zuckerschlecken. Sicher, im Zweifelsfall halten wir uns an die Prinzipien. Wisst ihr noch, Kinder, wie vor drei Jahren die jodugar Aliya-apa, diese Hexe, den alten Nasgul mit einem Schadenszauber belegt hat?«
Die Kinder nickten. Die Kinderchen waren jetzt ganz bei der Sache, bereit, in Erinnerungen an diese ruhmreiche Geschichte zu schwelgen.
»Wen hat sie damit belegt?«, platzte ich heraus.
Alle schmunzelten.
»Das ist ein Name. Nasgul. Das sind nicht die Nazgûls aus dem amerikanischen Film«, erklärte Nodir mit einem Lächeln, das seine strahlend weißen Zähne aufblitzen ließ. »Es gibt da einen Menschen. Gab, denn er ist letztes Jahr gestorben. Er hat sich lange gequält. Seine Frau war noch ganz jung. Sie hat eine Hexe gebeten, den Mann umzubringen. Wir haben von dem Schadzauber Kenntnis erlangt, die Hexe verhaftet, die Frau gerügt – alles ganz vorschriftsgemäß. Den Schadzauber hat Valentina Iljinitschna aufgehoben, was ihr sehr gut gelungen ist. Obwohl der Alte ein gemeiner, ganz schlechter Mensch war. Böse und gierig, ein Schürzenjäger, wenn auch ein alter. Alle waren froh, als er gestorben ist. Aber den Schadzauber haben wir ordnungsgemäß aufgehoben!«
Nach kurzem Nachdenken setzte ich mich auf einen knarrenden Wiener Stuhl. Letzten Endes hätte mir wohl auch die Kenntnis des Usbekischen kaum geholfen. Es ging nämlich nicht um die Sprache, sondern um die Mentalität.
Dieser kluge Gedanke beruhigte mich ein wenig. In dem Moment fing ich den Blick Valentina Iljinitschnas auf, einen guten, aber nachsichtig-mitleidigen Blick.
»Trotzdem geht es so nicht«, sagte ich. »Natürlich will ich euch keine Vorschriften machen, das ist eure Stadt, hier seid ihr für die Ordnung verantwortlich … Aber so etwas habe ich noch nie erlebt.«
»Das liegt daran, dass Sie in der Nähe Europas leben«, erklärte Nodir. Im Falle Usbekistans kam er offensichtlich nicht einmal auf die Idee, es zu Europa zu zählen. »Bei uns ist so was ganz normal. Wenn Frieden herrscht, kann man auch Tür an Tür leben.«
»Hm.« Ich hüllte mich in Schweigen. »Vielen Dank für die Erklärung.«
»Setzen Sie sich doch an den
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