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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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die an ihn gerichtete Bitte nicht zu Mitteilungen verleiten und lenkte das Gespräch in geschickter Weise auf seine Familie, über welche er ausführlich referieren mußte, so daß es schon spät am Abend war, als er aufbrach.
    Wanda begleitete ihn bis hinunter vor die Tür. Als er ihr zum Abschied die Hand reichte, hielt sie dieselbe fest und sprach, ihm tief in die Augen blickend:
    „Emil?“
    „Wanda?“ entgegnete er fragend.
    „Hast du mir nichts zu sagen?“
    „Du meinst die Bitte um Verzeihung wegen meiner Zudringlichkeit in der Höhle des Felsenbruchs? Der heutige Tag hat mich nachgiebiger gestimmt. Willst du mir verzeihen, mein liebes Herzenscousinchen?“
    „Gern. Aber du mußt auch brav sein und aufrichtig gegen deine Cousine, gerade so, wie damals, als du mit mir im Wald herumstrichst. Vorhin hast du aus Rücksicht gegen Mama geschwiegen; jetzt aber sind wir allein, und du darfst also sprechen. Sag, welche Gründe du hast, dem Baron Säumen so ungünstig gesinnt zu sein!“
    „Und welcher Lohn erwartet mich für meine Aufrichtigkeit?“
    „Für die Erfüllung einer Pflicht darf man nicht Lohn beanspruchen, Emil. Bitte, beantworte meine Frage.“
    „Wie du vorhin hörtest, habe ich Säumen gekannt. Er wohnte in dem Haus meiner Eltern, und ich weiß sehr genau, daß er einen Schlägerhieb als Folge eines kleinen Renkontres auf die Stirn erhielt. Die Narbe eines solchen Schlags ist unverwischbar, und ich habe bei deinem Verlobten eine solche nicht bemerkt. Daher mein Mißtrauen.“
    „Aber ich bitte dich“, erwiderte sie. „Du erschreckst mich ja! Ich habe ihn nur für einen Ignoranten gehalten und die Einwilligung zu unserer Verbindung allerdings allein aus Rücksicht auf Mama gegeben. Aber trotzdem wären wir uns für die ganze Zeit unseres Lebens fremd geblieben. Und nun hältst du ihn gar für einen gemeinen – ich muß sagen Schwindler, der sich durch den Zufall in die Verhältnisse eines anderen eingedrängt hat! Du mußt dich irren, du mußt, es kann nicht möglich sein!“
    „Ich gebe zu, daß ich irren kann; aber ich werde nicht eher ruhen, als bis ich Gewißheit habe. Denke an die Explosion, welche dir beinahe das Leben gekostet hätte.“
    „Vielleicht. Doch wird sich das aufklären. Es liegt hier allerdings eine außerordentliche Ähnlichkeit vor, die einen leicht irremachen kann.“
    „Das ist es nicht allein. Er besitzt so genaue und eingehende Kenntnis über alles, was die Verhältnisse der Säumens und der Chlowickis betrifft, daß er unmöglich ein Fremder sein kann. Und wo sollte in diesem Fall der wirkliche Eginhardt sich befinden?“
    „Hatte derselbe einen Bruder?“
    „Nein. Kurz vor seiner Abreise aus Wien hat er uns von seiner Ankunft brieflich benachrichtigt. Allerdings verzögerte sich dieselbe um einige Wochen über die angegebene Zeit hinaus, was der einzige Anhaltepunkt meines Mißtrauens sein könnte; aber er kennt sowohl den Wortlaut jenes Briefes, als auch alle vorher geschriebenen so genau, daß er selbst der Schreiber sein muß.“
    „Laß es für jetzt gut sein, Wanda. Die nächsten Tage werden uns Sicherheit bringen, und ich werde möglichst dafür sorgen, daß weder du noch Mama eine Exposition erleidet. Lebe wohl!“
    „Adieu, Emil. Du hast mir heute große Freude bereitet, aber auch schwere Sorge; ich weiß nicht, welcher von den beiden ich mich hingeben soll.“
    „Der Freude natürlich; die Sorge überläßt du am besten mir. Ich bin sie gewöhnt und weiß also recht gut mit ihr umzugehen.“
    Er ging. Der Umstand, daß der Baron so außerordentlich genau über das kleinste unterrichtet war, wollte ihn fast irre machen. Der rechte Säumen mußte die Konzepte seiner Briefe alle aufbewahrt und überhaupt ein sehr genaues Tagebuch geführt haben, nur so war es möglich, daß ein anderer sich so spezielle Kenntnisse aneignen konnte. Der ungewöhnlich lange Zeitraum zwischen der Abreise von Wien und seiner Ankunft bei den Damen war jedenfalls zu einer Reise nach den Besitzungen der beiden Familien verwandt worden, um sich hinlänglich zu orientieren, und da kein Verwandter mehr existierte und der Baron seit vielen Jahren in Italien gelebt hatte, so war es bei einiger Ähnlichkeit allerdings leicht möglich, die Dienerschaft zu täuschen und infolgedessen auch in anderen Kreisen anerkannt zu werden.
    Vor allen Dingen mußte der Tod des wirklichen Säumen nachgewiesen werden. Wie das aber ermöglicht werden könne, das wollte er dem Bruder überlassen

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