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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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außerordentlichen Wesen gegenüber mutlos gewesen war.
    Jetzt nun bot sich ihm die trefflichste Gelegenheit, sich die Dankbarkeit der Frauen zu erwerben, und der Umstand, daß der Verlobte Wandas als ein Verbrecher entlarvt werden sollte, nahm ihr einen guten Teil des Glorienscheins, in welchem er sie zu erblicken gewohnt war. Er konnte ihr heute in polizeilicher Eigenschaft entgegentreten, das gab ihm die früher vermißte Sicherheit wieder und rückte ihm sein Ziel in die erwünschte Nähe.
    Freilich galt es vor allen Dingen erst den Baron zu fassen, und zwar so, daß er sich gefangen geben mußte. Das war jedenfalls nicht leicht; aber gerade diese Schwierigkeit mußte ihm zur Empfehlung dienen und in jeder Beziehung zum Vorteil gereichen. Und so begab er sich denn in etwas gehobener Stimmung nach der Wohnung des Barons, wo er denselben anwesend fand und sofort vorgelassen wurde.
    „Es ist mir ein Vergnügen, zu sehen, daß Sie unsere kürzlich angeknüpfte Bekanntschaft zu erneuern und zu befestigen wünschen. Nehmen Sie Platz“, begrüßte ihn Säumen.
    „Vielleicht ist der Zweck meines Kommens für Sie ein nicht ganz erfreulicher, und was unsere Bekanntschaft betrifft, so ist sie wenigstens meinerseits eine etwas längere, als Sie meinen.“
    „Wieso? Ich erinnere mich wirklich nicht, jemals oder irgendwo Ihre Gegenwart genossen zu haben.“
    „Darin treffen Sie das Richtige. Aber ich bin Polizist, und Sie wissen ja, daß diese Art Leute ihre Bekanntschaften oft sehr einseitig pflegen.“
    „Ich habe also anzunehmen, daß Sie mich gekannt haben, noch ehe ich die Gelegenheit hatte, Sie zu sehen?“
    „Ich glaube wenigstens.“
    „Möglich. Ein Mann in höherer Stellung wird mehr bemerkt, als er selbst Zeit hat, aufmerksam zu sein. Wo bin ich Ihnen begegnet?“
    „Zunächst auf dem Papier.“
    „Ach! Wie ist das möglich? Hier muß ein Irrtum vorliegen; ich bin nicht Literat.“
    „Man kann von sich schreiben lassen, auch ohne Schriftsteller zu sein. Freilich ist der Betreffende selten sehr erbaut, wenn er auf die Beschreibung seines Wesens und Treibens stößt.“
    „Was wollen Sie damit sagen?“ fragte der Baron, aufmerksam werdend.
    „Ich wollte nur andeuten, in welcher Weise ich Kenntnis von dem Herrn Baron von Säumen bekam.“
    „Ich ersuche Sie, deutlicher zu sein.“
    „Sie waren in Paris?“
    „Früher, vor längeren Jahren. Warum?“
    „Haben Sie während Ihres dortigen Aufenthaltes vielleicht einmal in dem Magazin von Jules Ragellet, marchand tailleur, vorgesprochen?“
    Das an sich schon blasse Gesicht Säumens wurde bei dieser Frage noch um einen vollen Schatten bleicher. Er erwiderte:
    „Persönlich habe ich da nicht verkehrt, obgleich ich bei dem Mann arbeiten ließ. Es befindet sich in meiner gegenwärtigen Garderobe vielleicht sogar noch einiges von ihm.“
    „Können Sie mir die betreffenden Stücke bezeichnen?“
    „Dieser Aufgabe ist ein Baron wohl schwerlich gewachsen. Wenden Sie sich an meinen Diener. Im übrigen aber kann ich Ihnen versichern, daß Ragellet einer der ersten Schneider ist, wenn Sie vielleicht die Absicht haben, sein Geschäft mit Aufträgen zu betrauen.“
    „Das liegt weniger in meiner Absicht; nur wurde mir der Name des Mannes zu einer Zeit bekannt, in welcher sich die gesamte Polizei des Landes bemühte, den Urheber eines höchst entsetzlichen Mordes zu entdecken.“
    „Ach so! Hatte man vielleicht Verdacht auf den Pariser Schneider?“ fragte Säumen, während es ihm nur mit Anstrengung gelang, ein ironisches Lächeln hervorzubringen.
    „Sie scherzen. Es war bemerkt worden, daß der Täter Kleidungsstücke von der erwähnten Firma trug. Man wandte sich also nach Paris, und es gelang infolgedessen allerdings, das Gewünschte zu ermitteln, wenn es auch vorderhand nicht sofort möglich war, der Person habhaft zu werden.“
    Hagen sprach hier nicht die Wahrheit; man hatte ja den Vorschlag Winters, sich nach Paris zu wenden, ignoriert. Aber es kam jetzt darauf an, die möglichste Sicherheit zu zeigen, wobei allerdings jede Blöße zu vermeiden war.
    „Und was erfuhr man?“
    „Vollständig genug, um anzunehmen, daß der Mörder seinen Mann nur in der Absicht getötet habe, um an seine Stelle zu treten.“
    „Diese Ansicht scheint mir auf alle Fälle zu gewagt. Es gehört fast Unmögliches dazu, für einen anderen zu gelten, ohne Mißtrauen zu erwecken.“
    „Sie haben recht, und der Mörder ist deshalb als ein höchst kühnes und gefährliches

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