40 - Im fernen Westen
ich zugleich meinen Gehilfen los, der mir mit seiner Kenntnis meiner früheren Verhältnisse höchst lästig geworden ist.“
„Kennt er mich?“
„Nein. Er scheint sonst ein sehr beschränkter und gutmütiger Kerl zu sein. Dort kommen die Herren der Kommission. Sie untersuchen den Ballon zweimal, jetzt und kurz vor dem Aufsteigen. Jetzt ist das Tauwerk zu sehr verwickelt, als daß sie etwas bemerken könnten; aber bei der nächsten Besichtigung, während welcher alles an seiner Stelle und stramm angezogen ist, dürfte es möglich sein, daß ihnen meine Vorrichtung nicht ganz unentdeckt bleibt. Ich werde, ehe ich den Anker hebe, dich durch ein Zeichen benachrichtigen, ob das Werk gelingen wird.“
„Ich traue den Leuten keinen großen Scharfblick zu. Es sind nur ihrer vier: der Polizeirat, ein alter Seilermeister, der jedenfalls die Festigkeit des Netzwerkes prüfen soll, der Bürgermeister und ein Korbmacher zur Besichtigung der Gondel. Es ist lächerlich und kann nur in einem solchen Krähwinkel passieren. Aber wer kommt da noch?“
„Hagen, mein Passagier, und an seiner Seite ein Fremder, den ich nicht – doch halt, das ist ja ein Jude aus der Residenz, ein reicher Kauz, der gern in dunklen Geschäften macht. Ich habe ihn bei meinem Aufenthalt dort auch besuchen müssen. Was wird der hier wollen?“
„Wir werden ja sehen.“
Die Herren begrüßten einander, und während die vier zuerst Angekommenen mit dem Professor an die Besichtigung gingen, trat Hagen mit seinem Begleiter zu Säumen.
„Der Herr Bankier Levi Blumenbach aus der Hauptstadt, dessen Besuch ich mir erbeten habe, um bei unserem Kaufunternehmen von seinem Kredit Gebrauch zu machen.“
Die Stirn des Barons zog sich in tiefe Falten. Er hatte das Anerbieten ausgesprochen, bloß um Zeit zu gewinnen, und nun kam dieser Kommissar gerade in dem Augenblick mit einem obskuren Menschen, dessen Mitwisserschaft von den übelsten Folgen sein konnte.
„Ich bin überrascht, zu sehen, daß Sie in dieser noch sehr fraglichen Angelegenheit ganz ohne meine Kenntnis entscheidende Schritte tun, Herr Kommissar! Jedenfalls ist heute nicht der Tag zu geschäftlichen Verhandlungen; morgen aber werde ich Ihnen zur Verfügung stehen.“
Die Vorsicht gebot ihm, diesem Verweise nicht auch noch eine Unhöflichkeit hinzuzufügen. Er blieb deshalb bei den beiden Männern stehen, um zugleich dem Juden zu imponieren und so späteren Eventualitäten vorzubeugen. Da schritt der Bruder des Essenkehres über den Platz und wurde von dem Handelsmann erblickt.
„Wer soll sein dieser Mann, der da in Verkleidung geht vorüber? Ist mir doch, als kleide ihn besser die Uniform, weil er ist der gefürchtetste Polizist in der Residenz und heißt Winter.“
Sofort trafen sich die Blicke der beiden anderen. Das Gesicht des Barons war erdfahl geworden; denn er brachte die Anwesenheit dieses ‚gefürchteten‘ Mannes sofort in Verbindung mit sich selbst. Jedenfalls mußte es ein wichtiger Grund sein, der ihn bestimmte, sich von dem Professor, dessen Vergangenheit er kannte, als Gehilfen engagieren zu lassen. Dieser Mensch, welchen noch kurz vorher der Aeronaut einen ‚beschränkten und gutmütigen Kerl‘ genannt hatte, war mehr zu fürchten als die anderen zusammen. Hier galt es rasches und zugleich vorsichtiges Handeln.
Auch Hagen war von der unerwarteten Bemerkung seines Begleiters nicht sehr erbaut. Säumen mußte natürlich ein Einverständnis vermuten, und dadurch konnte leicht der prachtvolle Handel verloren gehen. Er entgegnete also mit der möglichsten Gelassenheit:
„Sie irren sich. Winter ist mein Untergebener; ich weiß also bestimmt, daß hier nur eine kleine Ähnlichkeit vorliegt. Der Mann ist Gehilfe des Luftschiffers.“
Säumen aber ließ sich nicht täuschen. Es fiel ihm sofort die Familienähnlichkeit, des Betreffenden mit dem verhaßten Schornsteinfeger auf, der damals die Anzeige bezüglich des Felsenbruchs gemacht hatte. Ferner erinnerte er sich der Begegnung am Bahnhof und des erst jetzt ihm verständlichen Winks, den der eine Bruder dem anderen gegeben hatte. Beide waren der Baronin verwandt – er wagte nicht, weiter zu schließen; aber rasch, sehr rasch mußte jetzt gehandelt werden.
Zunächst war es notwendig, sich zu überzeugen, wie weit das Einverständnis der beiden Polizisten reiche, und sodann war die nötige Summe zu gewinnen, um sich der Gefahr entziehen und an einem unzugänglichen Ort angenehm leben zu können. Jedenfalls hatte der Jude
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