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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Säumen und Winter hatten den Vordersitz inne.
    Es hatte das Zartgefühl der alten Dame verletzen wollen, in eigener Person an der Fahrt teilzunehmen. Aber da Wanda auch durch die triftigsten Gründe und die dringendsten Vorstellungen nicht zu bewegen gewesen war, so gebot ihr das Mutterherz, in der einzig möglichen Weise an dem gefahrvollen Unternehmen sich zu beteiligen. Winter las in den angsterfüllten Zügen der Tante die Gefühle, welche sie bestürmten; er wußte, welch ein Opfer sie brachte, ihre Person und ihren geachteten Namen einer Art Schaustellung bloßzugeben und fühlte zum ersten Mal einen wirklichen und ernstlichen Zorn gegen das Mädchen, dessen Eigentümlichkeit er bisher immer entschuldigt hatte.
    Die Auffüllung des Ballons war glücklich beendet. Zwar hatte er sich noch nicht bis zur größtmöglichen Ausdehnung aufgebläht; aber er mußte diese Ausdehnung bei dem Eintritt in höhere und infolgedessen auch leichtere Luftschichten erreichen und bot dann jedenfalls einen stolzen Anblick. Bei der zweiten Besichtigung war nichts Sicherheitswidriges bemerkt worden, und so konnte das Einsteigen der beiden Passagiere vor sich gehen.
    Der Professor hatte die eingesammelten Gelder in Empfang genommen und dem Gehilfen einen kleinen Teil davon mit der Weisung, seine Rückkehr hier abzuwarten, eingehändigt. Jetzt hing er in den Seilen und prüfte die Luftströmung. Diese war eine durchaus günstige und versprach ein rasches Vorwärtskommen.
    Jetzt stieg er nieder, trat an den Rand der Gondel und winkte zum Einsteigen. Wanda stieg, seine Hilfe abweisend, die kurze Strickleiter hinauf und nahm Platz, ohne der Umgebung einen Blick der Aufmerksamkeit zu schenken. Langsam dagegen ging es bei Hagen. Er schien seinen Entschluß schon jetzt zu bereuen, seine Blicke waren unsicher, und seine Stimme hatte einen zitternden Klang, als er, sich neben Wanda setzend, sprach:
    „Ich konnte eine Dame von Ihren Eigenschaften, Fräulein von Chlowicki, der Unbeständigkeit der Luft nicht ohne Schutz anvertrauen, und hoffe deshalb, daß Sie mir eine freundliche Gesinnung bewahren.“
    „Sie erlauben, daß ich gegen Ihre Gesellschaft nichts einzuwenden habe, da die Mitfahrt einem jeden gegen Erlegung des Preises gestattet ist. Was den Schutz betrifft, so wird sich ja wohl zeigen, wer dessen bedarf.“
    Jetzt wurde der Anker gelöst und die festhaltenden Seile gelockert. Der Ballon stieg eine Strecke in die Höhe, wiegte sich majestätisch hin und her und zerrte an dem einen Tau, an welchem er, von Menschenhänden gehalten, noch hing. Nochmals prüfte der Professor die Luft, dann wandte er sich der Richtung zu, in welcher der Wagen der Baronin stand und gab mit der Hand ein zustimmendes Zeichen, welches von Säumen erwidert wurde. Darauf winkte er, das Seil loszulassen.
    Für die Menge der Umstehenden hatte das gegebene Zeichen die sehr natürliche Bedeutung, daß er die anvertraute Braut und Tochter behüten werde. Anders aber war es bei Emil Winter.
    Er traute Säumen das Schlimmste zu, hatte sein Mienenspiel beobachtet und bemerkt, mit welcher Spannung sein Auge auf Wanda geruht und dann befriedigt aufgeblitzt hatte, als sie eingestiegen war. Und als er den Zug diabolischer Freude bemerkte, den der Baron trotz aller Anstrengung nicht unterdrücken konnte, als der Professor das Zeichen gab, da leuchtete in ihm die Überzeugung auf, daß die Geliebte seiner Seele in einer schrecklichen Gefahr schwebe.
    Er sah nur noch, daß sein Bruder, unbeachtet von den Umstehenden, sich auf das Kofferbrett setzte; dann sprang er mit einem Satz aus dem Wagen, brach sich mit fast übermenschlicher Kraft durch die Menge Bahn und langte gerade in dem Augenblick bei den Haltenden an, als dieselben das Tau losließen. Es war die höchste Zeit gewesen, und mit beiden Händen griff er zu.
    Das Luftschiff stieg, als es nicht mehr an die Erde gebunden war, mit einem einzigen raschen Ruck mehrere hundert Fuß hoch empor, dann schwebte es scheinbar still an einem Punkt, wie um die Richtung zu suchen, die es einzuschlagen habe, und endlich bewegte es sich, von dem herrschenden Luftstrom getrieben, vorwärts.
    Schon längst hatte die Musik begonnen; aber so stark das Orchester und so rauschend das Stück auch war, welches gespielt wurde, es vermochte doch nicht den Schrei des Entsetzens zu übertönen, welchen die Menge ausstieß, als sie einen Menschen so hoch da droben an dem Seil hängen sah. Das letztere war nicht mehr zu erkennen, und es schien,

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