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40 Stunden

40 Stunden

Titel: 40 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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vergeblich.
    Er hatte die Tür jetzt erreicht, und wie von Zauberhand öffnete sie sich vor ihm.
    » Nein!«, flüsterte er.
    Die Menschen dahinter blickten ihn aus leeren Augen an. Er sah Laura und Anisah. Lilly. Seine Eltern. Und Paul. Pauls Gesicht war schwarz verkohlt, und die Augäpfel von der Hitze der Explosion zu glasig-weißen Kugeln erstarrt.
    Faris wimmerte.
    » Du hättest da sein müssen!«, sagte Paul vorwurfsvoll. Er sprach mit der verzerrten Stimme des Anrufers. Und dann hob er sein Hemd an, das ihm lose über den Hosenbund hing.
    Er trug einen Sprengstoffgürtel. Ein Lächeln erschien auf seinen Zügen. So hatte er immer gelächelt, wenn er sich über Faris lustig gemacht hatte.
    » Paul«, hauchte Faris. » Nicht!«
    Langsam hob Paul den Arm. Er hatte einen Zünder in der Hand, ein kleines quadratisches Kästchen mit einem roten Knopf darauf.
    » Du darfst das nicht tun.« Faris wusste, er musste lauter sprechen, wenn er Paul davon abhalten wollte, auf den Auslöser zu drücken, aber er konnte es einfach nicht. Alles, was er über die Lippen brachte, war ein tonloses Wispern.
    » Du hast nicht auf den Auslöser gedrückt, Faris«, sagte Paul. Er sprach jetzt mit seiner eigenen Stimme. » Aber ich!« Er lachte.
    Und dann drückte er den roten Knopf.
    Ein Feuerball rollte heran, hüllte Faris ein, riss ihm das Fleisch von den Knochen, doch er spürte keine Schmerzen. Er sah seine Eltern verglühen, Anisah. Laura. Und mit einem qualvollen Schrei brach er zusammen.
    » Faris!«
    Jemand schüttelte ihn. Er tastete um sich, weil er das Gefühl hatte zu fallen. Schrie er? Er wusste es nicht. Mühsam nur arbeitete er sich zurück in die Realität. » Oh, Allah!«, entfuhr es ihm.
    » Sie haben geträumt!«
    Ira war bei ihm. Sie saß auf der Bettkante und hielt ihn wie ein Kind im Arm. » Beruhigen Sie sich, es war nur ein Traum!«
    Hinterher hätte sie nicht sagen können, wie es dazu gekommen war. Sie hatte Faris festgehalten, als er im Schlaf um sich schlug. Sie hatte ihn geschüttelt und versucht, ihn aus seinem Albtraum zu befreien, und es war ihr auch gelungen. Doch er brauchte lange, um zurück in die reale Welt zu finden. Er klammerte sich an sie wie ein Ertrinkender, und sie tat es ihm gleich.
    Tief sog sie seinen Geruch ein, eine Mischung aus Seife und Schweiß.
    Und dann passierte es.
    Ihr Geist teilte sich. Ein Teil von ihr spürte Faris’ Lippen an ihrem Hals, seinen Atem, der an ihrer Haut entlangstrich, und seine Hände unter ihrer Bluse. Sie genoss die Schauer, die ihr beides durch den Körper sandte. Ihre andere Hälfte jedoch beobachtete sich aus einer distanzierten Perspektive und fragte sich dabei, was sie hier eigentlich tat. Diese zweite Hälfte schaute mit an, wie Faris sie küsste, wie er keuchte und sich an sie klammerte. Der distanzierte Teil ihres Ichs wusste, dass er sie nur begehrte, weil er Vergessen so unendlich nötig hatte, weil er in den tiefsten Tiefen seiner Seele verwundet war und verzweifelt nach einem Mittel suchte, diese Wunde zu heilen. Sie wusste, dass sie benutzt wurde, und dennoch genoss sie, was er mit ihr tat. Und als er sich aus seiner Jeans schälte, als er sich auf sie legte und in sie eindrang, da stöhnte sie gleichzeitig vor Lust und wollte sich krümmen vor Scham.
    Sie brauchten beide nicht lange. Gemeinsam kamen sie zum Höhepunkt, und schweißgebadet und schwer atmend blieben sie danach nebeneinander liegen.
    Ira drehte sich auf die Seite und betrachtete Faris, der mit dem Gesicht zur Decke gewandt dalag und ins Leere starrte. Sie wollte etwas sagen, aber für den Augenblick fehlten ihr die Worte. Also hob sie die Hand und strich mit den Fingerspitzen sanft über die schreckliche rote Narbe, die die Rippen auf seiner rechten Seite und den oberen Teil seines Bizeps bedeckte. » Das sieht schlimm aus.«
    Er reagierte nicht. Er legte einen Arm über die Augen und schwieg. Sein Brustkorb hob und senkte sich stoßweise. Ira konnte die Muskeln unter seiner Bauchdecke sehen. Sie war erfüllt von Wärme und Wohlbehagen, und zu ihrer eigenen Überraschung trat nicht das ein, was ihr distanziertes Ich ihr eben noch zugeflüstert hatte: Sie fühlte sich nicht schlecht, sondern einfach nur ruhig und erfüllt.
    Zu gern hätte sie gewusst, was in seinem Kopf vorging, aber sie wagte es nicht zu fragen. Irgendwann setzte er sich mit einem Ruck auf.
    » Entschuldige«, sagte er heiser. Sein Blick irrte über ihren halb nackten Körper davon. » Ich…« Er schwang die

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