40 Stunden
Beine aus dem Bett. » Ich glaube…«
Sie rührte sich nicht sofort, aber als er sitzen blieb und keine Anstalten machte, wirklich aufzustehen, da legte sie ihm eine Hand zwischen die Schulterblätter. Verglichen mit seiner, war ihre Haut sehr hell. Faris erschauderte unter ihrer Berührung wie unter einem Hieb.
Langsam ließ er sich zurücksinken. » Was jetzt?«
Sie sah ihn an. » Was denkst du?«
Er sah auf den Wecker auf seinem Nachttisch. Drei Uhr durch. Trotz des Albtraums hatte er ein paar Stunden geschlafen.
Wieder schloss er die Augen. » Ich bin müde«, murmelte er erschöpft.
» Dann schlaf!«, sagte Ira sanft und lächelte. » Ich bewache unterdessen dein Handy.«
Alexander
WARUM HAST DU ES NICHT GETAN ?, fragte der Engel. IHN GEKREUZIGT , MEINE ICH .
Alexander kämpfte gegen die Gefühle an, die in seinem Innersten tobten. War es richtig, was er hier tat? Er wusste es nicht. Er war so unendlich müde. » Ich war nicht stark genug«, gestand er. » Alle Kreuze, die ich mit meinen bescheidenen Fähigkeiten bauen konnte, waren es nicht. Aber dann kamst du.«
DANN KAM ICH . ICH HABE EINES TAGES VOR DEINER TÜR GESTANDEN .
» Hast du mich gesucht?«
KÖNNTE MAN SO SAGEN .
Alexander spürte ein Lächeln, das seinen Körper ganz leicht machte. » Als ich dich sah, wusste ich, dass mein Vater die ganze Zeit recht gehabt hat. Der Herr wollte, dass es so geschieht. Darum hat er mir dich geschickt. Du bist sein Engel, nicht wahr?«
Da lachte die Stimme in dem grellen Licht auf, und in dem Lachen klang die Traurigkeit einer ganzen Ewigkeit mit.
24. Kapitel
Es war bereits nach Mitternacht, als Laura Zöller ihre Tochter Lilly endlich dazu gebracht hatte zu schlafen. Erschöpft und genervt zog sie die Kinderzimmertür hinter sich zu und verfluchte ihren Mann Christian. Er hatte ein Händchen dafür, immer genau dann Dienst zu haben, wenn Lilly wieder einmal besonders anstrengend war.
Barfuß, um das Kind nicht wieder aufzuwecken, schlich Laura über den mit Eichenholzparkett ausgelegten Flur ins Wohnzimmer. Dort öffnete sie eine Flasche Rotwein und goss sich ein Glas ein. Seufzend ließ sie sich auf die Ledercouch fallen und schaltete den Fernseher an.
Auf mehreren Sendern kamen Berichte über die Bomben, die heute in Berlin hochgegangen waren. Sie wollte nichts davon hören und schaltete so lange um, bis sie eine Sendung über irgendein mittelalterliches Manuskript fand, das man vor ein paar Jahren entdeckt hatte. Doch sie konnte sich nicht auf die warme, sonore Stimme des Sprechers konzentrieren.
Sie musste plötzlich an Faris denken.
Warum war er ausgerechnet heute bei ihr aufgetaucht?
Er hatte sich nicht mehr blicken lassen, seit er von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte, und im Grunde war sie auch froh darüber gewesen. Ihn jedoch vor sich stehen zu sehen, mit diesen furchtbaren Verletzungen im Gesicht, hatte wehgetan.
Sie schüttelte den Kopf und nahm einen tiefen Schluck Wein, während im Fernsehen ein weiß bekittelter Historiker Seite um Seite von dem wertvollen Manuskript umblätterte.
Es fiel ihr schwer, es sich einzugestehen, aber sie hatte sich gefreut, ihn zu sehen. Als sie Faris damals verlassen hatte, hatte sie behauptet, es liege daran, dass er keine Kinder wollte. Er hatte keine Ahnung davon, dass es einen völlig anderen Grund dafür gab, warum sie sich in die Arme eines anderen Mannes geflüchtet hatte: Sie hatte es nicht mehr ausgehalten, ständig in Angst um ihn zu leben! Sein Aussehen heute hatte ihr mehr als klargemacht, wie klug die Trennung von ihm gewesen war.
Seufzend griff sie nach ihrem Handy, das sie beim Nachhausekommen einfach auf dem Couchtisch abgelegt und seitdem nicht wieder zur Hand genommen hatte. Jemand hatte angerufen und eine Nachricht hinterlassen.
Zögernd wählte sie die Mailbox an.
» Laura, ich bin’s!« Faris’ Stimme versetzte ihr einen Hieb. » Hör zu, das hier ist kein Stalkeranruf, sondern echt wichtig. Ich möchte…« Und dann unterbrach er sich. Sie konnte ihn atmen hören.
Ihr Magen senkte sich wie bei einer Achterbahnfahrt.
» Mama!« Lillys quengelige Stimme kam aus dem Kinderzimmer.
Laura seufzte. » Mama kommt gleich, Schatz!«, rief sie. Dann lauschte sie, ob Faris noch etwas gesagt hatte.
Kein Stalker-Anruf, hatte er behauptet.
Aber was dann?
Noch immer hörte sie ihn atmen und um Worte ringen, und allein dieses Geräusch war so schmerzhaft, dass sie das Handy in den Schoß sinken ließ.
» Mama!« Lilly kreischte
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