40 Stunden
Meine Geduld ist am Ende! Fünf Minuten!« Und mit diesen Worten legte der Mann auf.
Faris ließ das Smartphone sinken und rang um Selbstbeherrschung. » Schnell! Das Blaulicht!«
Paul reagierte sofort. Er ließ die Seitenscheibe des BMW herunter und platzierte das magnetische Blaulicht auf dem Dach des Wagens. Gleichzeitig ließ Faris das Martinshorn aufheulen. Fünf Minuten!
Das war keinesfalls zu schaffen! Sie waren gerade einmal am Wittenbergplatz vorbei, hatten die Nürnberger Straße noch nicht überquert, und dass die gesamte Tauentzienstraße, die vor ihnen lag, verstopft war, konnte er sehen, wenn er den Hals reckte.
Die Autos vor ihm machten nur zögerlich Platz.
» Weg da!«, brüllte Faris, aber es nützte nichts. Was, wenn er ausstieg und die Strecke lief? Unmöglich! Er war zwar seit einigen Wochen wieder im Training, doch für knapp zwei Kilometer hätte er mehr als sieben Minuten gebraucht– selbst wenn er sich nicht an diesem Morgen den Schädel an der Wand der U-Bahn-Station aufgeschlagen hätte.
Er hupte.
» Die können sich nicht in Luft auflösen«, murmelte Paul. » Was ist denn eigentlich los?«
In zwei Sätzen erzählte Faris es ihm. Das Martinshorn untermalte seine Worte mit schrillem Jaulen, und endlich kam Bewegung in die Autos direkt vor ihnen.
Paul war blass geworden. » Jemand, an dem dir etwas liegt?«
Faris war so auf den Verkehr konzentriert, dass er ihm nicht antworten konnte. Endlich hatte er ein wenig Platz. Er rollte auf den Bordstein, dann gab er Gas. Doch schon nach wenigen Metern stoppte ihn ein neues Hindernis, ein Lieferwagen, der aus einer Einfahrt kam und mitten auf dem Bürgersteig stehen blieb.
» Scheiße!«
Ein Klingelgeräusch ertönte, das er nicht sofort zuordnen konnte. Er hupte erneut, der Lieferwagen rollte ein Stück zurück, sodass er sich daran vorbeiquetschen konnte. Während er haarscharf an einigen Betonpollern vorbeischrammte und dann wieder Gas gab, spürte er, wie Paul an seiner Jackentasche herumfummelte und das klingelnde Billighandy herauszog.
Paul hob ab und meldete sich. » Es ist Niklas.«
» Jetzt nicht!«, rief Faris. Froh darüber, dass er keinen Fußgänger erwischt hatte, kehrte er auf die Fahrbahn zurück und musste schon wieder abbremsen, weil die Autos vor ihm nur zögerlich nach rechts und links auswichen. » Himmelarsch …!«
Paul schaltete den Lautsprecher an.
» Faris, ich muss…«
» Jetzt nicht, Niklas!«, schrie Faris. Der Motor des BMW heulte auf, als sie mit quietschenden Reifen in den Kurfürstendamm einbogen. Paul stieß einen erschrockenen Schrei aus, der sich mit dem Zirpen von Faris’ Smartphone mischte.
» Verdammte Scheiße!« Faris nahm das Gerät ans Ohr, während er versuchte, das Auto mit nur einer Hand am Steuer unter Kontrolle zu halten. » Die fünf Minuten sind noch nicht um!«
» Weiß ich.« Der Anrufer lachte leise. » Ich wollte nur Zeuge werden, wie du scheiterst, mein Lieber.«
» Wer?«, schnappte Faris, bremste abrupt und gab dann wieder Gas. Ein junger Mann, der vor ihm über einen Fußgängerüberweg gehen wollte, sprang auf den Bürgersteig zurück. Im Rückspiegel kontrollierte Faris, ob ihm etwas geschehen war, doch der arme Kerl stand nur da und schaute verdutzt. Im nächsten Moment war er schon aus Faris’ Blickfeld verschwunden.
Hesses Stimme quäkte aus dem Lautsprecher des Billighandys.
» Wie bitte?«, fragte der Anrufer.
» Wen wollen Sie töten?« Schreckliche Bilder zogen vor Faris’ geistigem Auge vorbei. Jemand, an dem ihm etwas lag. Seine Schwester Anisah? Seine Nichten? Laura! Dieser elende Mistkerl!
» Ach, das!« Der Anrufer hatte eine kleine dramatische Pause gemacht, bevor er sprach. » Ich gebe dir einmal eine Beschreibung: Holzfällerhemd, Bikerstiefel, Lederjacke…«
Faris’ Magen drehte sich um. » Niklas!«, schrie er. » Eine Bombe! Wo auch immer du gerade bist: Raus da!«
» Was? Faris, was soll…«
Das Lachen des Anrufers vermischte sich in Faris’ Ohren mit dem Jaulen des Martinshorns und mit dem verständnislosen Gestammel von Hesse.
Die Knesebeckstraße tauchte vor ihnen auf, aber das Café befand sich ganz am anderen Ende. Unerreichbar weit entfernt.
» Noch zehn Sekunden, Faris«, verkündete der Anrufer, und dann begann er runterzuzählen.
Als er bei vier angekommen war, trat Faris auf die Bremse. Es hatte keinen Sinn, er würde das Café niemals rechtzeitig erreichen.
» Drei.«
Er ließ sein Smartphone fallen, grapschte das Handy
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