40 Stunden
mit Niklas Hesse befreundet war, bestimmt kannte er auch seine Familie. Und Laura! Faris biss die Zähne zusammen. Er würde sich bedeutend wohler fühlen, wenn er wüsste, dass sie alle außer Reichweite dieses Scheißkerls waren.
» Hm.« Tromsdorff schwieg einen Moment. » Kommst du klar?«, fragte er dann. » Ich kann dich auch ablösen lass…«
» Kannst du nicht, weil sonst irgendwo die nächste Bombe hochgeht.« Faris starrte auf das Smartphone in seinem Schoß. » Nein, ich komme schon klar. Wie machen wir jetzt weiter?«
» Am besten, du tust das, was der Irre von dir verlangt. Wir haben zusätzliches Personal beantragt, um die alten Akten nach einer Spur zum Vater des Anrufers durchsuchen zu lassen. Wenn ihr in dem Café fertig seid und bis dahin keine neue Order von dem Typen gekommen ist, kommt ihr wieder hierher. Dann sehen wir weiter.«
Faris nickte. » Gut.«
Das Internetcafé erwies sich als totaler Flop. Es war eines der seriösen Etablissements dieser Art. Viel Chrom und rotes Leder dominierten die Einrichtung– und ein übermannsgroßer Pappaufsteller der Game-Heldin Lara Croft. Eine riesige Bahnhofsuhr an der Wand sagte ihnen, dass ihr Zeitpolster weiter geschrumpft war, aber darüber hinaus erfuhren sie nichts von Belang.
Eine junge, leicht gruftig angezogene Frau hinter dem glänzenden Tresen war gerade damit beschäftigt, zwei weiblichen Gästen Latte macchiato zuzubereiten. Paul wies sich aus und bat sie, einen Blick in die Videoaufzeichnungen des vergangenen Abends werfen zu dürfen, doch sie schüttelte bedauernd den Kopf.
» Wir hatten gestern den ganzen Tag geschlossen«, erklärte sie. » Gestern kann von hier aus niemand etwas verschickt haben. Wir haben unsere Computer gewartet.« Sie wies hinter sich zu einer Tür, auf der Büro stand. » Ich kann Ihnen gern meinen Chef holen, der wird Ihnen das bestätigen.«
» Nicht nötig«, murmelte Faris. Er hatte es geahnt. Wenn es in diesem Internetcafé tatsächlich einen Hinweis auf die Identität ihres geheimnisvollen Anrufers gegeben hätte, hätte er sie nicht hierherzitiert. » Wir schicken einen Kollegen, der das überprüft«, sagte er trotzdem.
» Wie Sie meinen.« Die junge Frau griff nach den inzwischen fertigen Latte macchiato. Unter ihren Haaren hervor sah sie Faris und Paul an, als wollte sie sagen: War das alles?
Sie bedankten sich bei der jungen Frau und verließen das Café. » Was sollte das?«, fragte Paul, als sie draußen auf dem Gehweg standen. » Warum jagt er uns hierher?«
In diesem Fall ergab nichts einen Sinn. Faris starrte auf seine Armbanduhr. » Er treibt Spielchen«, murmelte er. Die Digitalanzeige auf dem Display sprang in diesem Augenblick um von 18.56 Uhr auf 18.57 Uhr.
Ihnen blieben nur noch knapp neunundzwanzig Stunden.
Alexander
Er stand vor dem Kreuz und schaute zu seinem Vater auf. Wie dünn er war! Die runzelige Haut seines Bauches hing in Falten über den Lendenschurz aus weißem Leinen. In Alexanders Augen sah dieser Schurz wie eine Windel aus. Schon damals, als er noch ein kleiner Junge gewesen war und in ihrer Kirche dieses Bild des Gekreuzigten angeschaut hatte, hatte er das gedacht. Heute wusste er, dass der HERR nackt gekreuzigt worden war, aber natürlich kam es nicht infrage, ihn so darzustellen. Doch jetzt, da Alexander sein Werk begutachtete, da schoss ihm ein einzelner überaus gotteslästerlicher Gedanke durch den Kopf:
Ob Christus wohl unter seinem Lendenschurz gut ausgestattet gewesen war?
Er schlug sich selbst mit der Faust gegen die Stirn, um diese ketzerische Anwandlung zu vertreiben. » Ungezogener Kerl!«, flüsterte er. » Wie kann man nur so sündhaft sein!« Dann blickte er dem Mann am Kreuz ins Gesicht. » Verzeih mir«, fügte er leise hinzu.
Er war sicher, dass Gott ihn hören konnte. Das Licht des Engels strömte nach wie vor aus einer der Ecken des Verlieses und warf über alles grelle Schlagschatten. Alexander verspürte den Wunsch, in dieses Leuchten zu treten. Der Engel hatte jetzt seit Längerem kein Wort mehr von sich gegeben. Zu gern hätte Alexander nachgesehen, ob er noch da war.
Aber der Engel hatte ihm verboten, zu nahe zu kommen, und Alexander fürchtete, dass ihm Schreckliches widerfahren würde, wenn er nicht gehorchte. Also harrte er neben dem Kreuz aus und machte sich seine Gedanken.
Der Gekreuzigte regte sich, öffnete jedoch nicht die Augen. » Alex…?« Seine Stimme war nur ein Hauch.
» Ich mache es richtig«, wisperte Alexander ihm
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