40 Tage Fasten - von einem, der mal Ballast abwerfen wollte
als er zu erkennen vermeint. Es ist das Feinstoffliche, das sich erst in einem sensibilisierten Körper bemerkbar macht. Ich spüre dieses Feinstoffliche nur, weil mein Körper durch Fasten durchlässig ist, rein ist. Dadurch kann ich immer mehr mein wahres Ich von meinem Körper trennen. Das Gefühl des Einsseins gleicht Sonnenstrahlen, die auf die Haut treffen, durch den Körper flirren und direkt auf die Seele scheinen.
Das wahre Ich ist rein feinstofflicher Natur. Es ist das, was lebt. Wenn zwei am Boden liegen, einer tot und einer lebendig, ist der Hauptunterschied natürlich das Leben. Dieses undefinierbare Etwas, der Puls Gottes. Es wiegt nichts, ist wissenschaftlich, soweit ich weiß, nicht zu messen oder gar festzuhalten. Deshalb glauben wir auch nicht richtig daran. Unser Denken ist zu sehr von der Wissenschaft bestimmt.
Da Gedanken auch feinstofflich sind, schieben sie sich vor die Feinstofflichkeit des wahren Ichs, des Wesenskerns. Nur ohne Gedanken kommt das Ich zum Vorschein. Und das Ich ist alles und nichts.
Ich traue mich kaum, es zu schreiben. Aber nun habe ich einen Zustand erreicht, in dem ich Dinge erkenne, die ich vorher nicht erkannt habe. Und es macht mir nicht mehr so viel aus, wenn andere diese Dinge anzweifeln: Es gibt keinen Gedanken, der wahr wäre. Gedanken mögen zu Wahrheit führen. Der Gedanke an sich ist aber nicht wahr. Er existiert nur im Kopf. Er formt sich durch unsere Sinne und Lebenserfahrung zu einem rein künstlichen Konstrukt. Und wenn ich meine Gedanken verfolge, erkenne ich, dass die Wurzel aller Gedanken – ausnahmslos – die Angst vor dem Tod ist. Es ist erschütternd, einfach, genial, banal.
Während ich dies schreibe, wird mir klar, dass auch das alles nur Gedanken sind und sie daher auch nicht wahr sein können. Schade.
Gedanken unterliegen der Erdanziehungskraft. Wir können nicht gegen sie ankämpfen, sie weghaben wollen. Wir können sie akzeptieren, sie durchrauschen lassen und auf die lichten Momente der Gedankenlosigkeit warten.
Die Schmerzen im Bauch werden immer schlimmer. Eben hatte ich noch geglaubt, dass das nichts Schlimmes ist. Aber irgendetwas stimmt doch nicht!
Braucht Gott jemanden, der seine Schöpfung anerkennt?
Musste Widerliches beobachten. Die angestammten Hühner hacken auf die neuen ein. Schlimm. Selbst Hühner haben ein Ego! Leider können sie es aber nicht bewusst abstellen. Blöde Hühner. Ich werde sie fasten lassen!
Der letzte Abend. Ich habe angefangen, alles ins Reine zu schreiben. Habe mein Tagebuch sozusagen selbst eingeholt.
Vierzigster und letzter Tag, 10. Oktober
Die Fastenzeiten sind Teil meines Wesens. Ich kann auf sie ebenso wenig verzichten wie auf meine Augen. Was die Augen für die äußere Welt sind, das ist das Fasten für die innere.
MAHATMA GANDHI
Vierzigster und letzter Tag, 10. Oktober
76,8 KILOGRAMM
Untergewicht. Ich höre auf. Wie ich es versprochen hatte. Und habe die 40 Tage geschafft. Die Erleuchtung ist nicht eingetreten. Aber vielleicht ist sie auch nur eine Illusion.
Es ist vier Uhr früh. Ich habe fünf Stunden durchgeschlafen. Damit hatte ich mehr Schlaf als in den vergangenen Nächten zusammen.
Eigentlich könnte ich jetzt auch mit dem Schreiben aufhören. Es gibt nichts aufzuschreiben, was den Zustand des Nichts beschreiben könnte. Stille hat keine Worte.
Gabi freut sich am meisten darüber, dass es vorbei ist. Es wird wieder Normalität einkehren. Im Alltag, beim Essen und mit uns. Ich werde ihr immer, immer dankbar und treu bleiben, weil sie meinen Irrsinn erträgt.
Sollte sich etwas während der 40 Tage in Richtung Offenbarung getan haben, dann ist es schleichend geschehen. Ich muss das Tagebuch noch einmal lesen, um nachzuvollziehen, was passiert sein könnte. Solche Prozesse sind für einen selbst immer erst im Nachhinein sicht- und erklärbar. Vielleicht weiß ich in ein paar Wochen, was mir diese Fastenzeit tatsächlich gebracht hat.
Das Abschluss-EKG. »Nur« noch 350 Watt. Immer noch mehr als zu Beginn des Fastens. Aber dass der Körper nach 40 Tagen immer noch eine solche Leistung bringt, ist sagenhaft. Der Arzt allerdings macht sich Sorgen. Die EKG-Ausschläge seien nicht ganz in Ordnung. Wahrscheinlich hat in meinem Körper eine Elektrolytverschiebung stattgefunden.
Es ist so weit. Ich halte einen Apfel in der Hand.
Himmlisch. Paradiesisch. Ein Paradiesapfel. Ich hatte mich selbst aus dem Paradies vertrieben. Und das nur, um festzustellen, dass wir im Paradies leben. Jederzeit,
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