41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)
mit solidem, einfallslosem Hausfrauensex zufrieden gaben.
Alette konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Louise etwas mit dem mysteriösen Verschwinden der Männer zu tun hatte. Ihr fiel kein Grund, kein passendes Motiv ein, das Louise dazu veranlassen könnte, ihre verlässlichen, großzügigen Einkommensquellen versiegen zu lassen. Obwohl Louise durchaus in der Lage war, ohne mit der Wimper zu zucken schnell und lautlos zu töten. Alette selbst hatte vor vielen Jahren von dieser Fähigkeit Louises profitiert, als ein verrückter Freier in ihrem Appartement die verschwommenen Grenzen der schmerzvollen SM-Spiele überschritten und sie brutal angegriffen hatte. Alette hatte nur ein einziges Mal die Möglichkeit gehabt, zwischen zwei Würgegriffen kurz aufzuschreien, aber dieser Schrei hatte genügt, um Louise in ihrer Wohnung im ersten Stock aufzuschrecken. Während der Freier noch dabei war, Alette mit ihrem eigenen Nietenhalsband qualvoll langsam zu erdrosseln, öffnete Louise behutsam mit ihrem Zweitschlüssel die Wohnungstüre, betrat auf dicken Wollsocken vorsichtig Alettes Schlafzimmer, näherte sich lautlos dem Freier, der auf Alette kniete, die mit rot aufgequollenem Gesicht hilflos am Boden lag, und trieb ihm ein langes, hauchdünnes Skalpell mit einem einzigen Stich durch seine Lunge mitten ins Herz. Der Mann grunzte röchelnd, Blut schoss aus seinem Mund und tropfte Alette ins Gesicht. Louise zog ihr Skalpell aus seinen Rippen, packte ihn bei einer Schulter und drehte ihn auf den Rücken, damit Alette wieder atmen konnte und nicht weiter von seinen Körperflüssigkeiten besudelt wurde. Sie holte aus dem Badezimmer ein nasses, kaltes Handtuch, setzte sich wortlos neben Alette auf den Boden und wischte ihr damit sanft und gleichmäßig über Gesicht und Hals. Das stille Einvernehmen, das zwischen ihr und Louise von diesem Moment an bestand, bedurfte keiner Worte mehr. Als Alette sich einigermaßen erholt hatte, wickelten sie den Toten in den von Blut und Urin getränkten Teppich und schleppten ihn in Louises Wohnung. Im Flur sah Alette Louise fragend an.
„Lass ihn hier liegen, ich kümmere mich darum. Geh inzwischen hinunter in dein Appartement und mach alles sauber. Ich komme später nach und helfe dir.“
Alette hätte alles getan, was Louise von ihr verlangt hätte, sie hatte ihr ihr Leben zu verdanken. Sie stellte keine Fragen, kehrte in ihre Wohnung zurück und begann mit den Reinigungsarbeiten. Schon kurze Zeit später kam auch Louise, half umsichtig und ruhig wie gewohnt, steckte alle schmutzigen Tücher, Lumpen sowie leere Reinigerflaschen und Putzzeug in einen schwarzen Müllsack und besprühte zum Abschluss alle Oberflächen und den Boden mit einem Desinfektionsspray, der die Wohnung mit einem scharfen, aber nicht unangenehmen Duft erfüllte. Als alle Spuren des unglücklichen Zwischenfalls beseitigt waren, bereitete Louise starken Kaffe mit einem kräftigen Schuss Cointreau zu, packte Eiswürfel für Alettes Hals in ein Küchentuch, bettete sie fürsorglich auf ein bequemes Sofa, strich ihr liebevoll über die Wangen, nahm den Müllsack und verließ leise die Wohnung. Am frühen Vormittag des nächsten Tages erschien eine Sicherheitsfirma, installierte im ganzen Haus Video- und Sprechanlagen samt Torschloss und von einem Einrichtungshaus wurde in Alettes Appartement ein geschmackvoller Teppich geliefert und ausgelegt. Als Alette bei Louise klingelte, um sich dafür zu bedanken, fragte Louise erstaunt, aber mit amüsiertem Augenzwinkern: „Welcher Teppich?“
Der Vorfall wurde zwischen den beiden Frauen niemals mehr erwähnt und Alette wollte bis heute nicht wissen, wohin Louise die Leiche und den Müllsack gebracht hatte.
Hendrik, Luc
Luc brauchte zum Wohlfühlen einen klaren Ordnungsrahmen, verlässliche Rituale und gewohnte Umgebung. Dazu gehörte auch der samstägliche Ausflug nach Disney World Paris, den Hendrik mit ihm seit Eröffnung des Freizeitparks regelmäßig besuchte. Er und Luc waren stolze Besitzer einer goldenen Jahreskarte, die es ihnen erlaubte, jederzeit alle Attraktionen zu nutzen und überdies das Vorrecht einräumte, die langen Warteschlangen zu umgehen und persönlich von eigens dafür verantwortlichem Personal direkt zu den jeweiligen Einstiegsstellen gebracht zu werden.
Luc durfte die meisten Hochschaubahnen auf Grund seiner Behinderungen aus Sicherheitsgründen nicht nutzen, aber er genoss das bunte Treiben, die überlebensgroßen Comicfiguren, die
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