41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)
einverstanden sind. Ich möchte Ihnen mit meiner Geschichte nur klar machen, dass es für mich absolut keinen Grund gibt, achtzehn Männer verschwinden zu lassen. Es gibt nichts, was ich an sexuellen Abgründen, männlichen Phantasien oder demütigen Handlungen auf dem Gebiet der Prostitution nicht miterlebt hätte. Ich habe das für mich Beste daraus gemacht, hege keinen Groll oder gar Hass, bereue nur Weniges und freue mich darauf, dass ich mich gegen Ende des Jahres zur Ruhe setzen kann und mir um meine Zukunft keine Sorgen mehr zu machen brauche. Werden Sie dasselbe auch von sich in ein paar Jahren behaupten können, wenn Sie über Ihr Leben Resümee ziehen?“
Zorn wallte in Marcel auf. Sie gestand ihm quasi einen verjährten Mord, mehrere Körperverletzungen, illegale Prostitution seit vierzig Jahren und fragte ihn, ob er ebenso zufrieden wäre wie sie! Mit dem, was sie ihm alles erzählt hatte, konnte er sie für Jahre hinter Gitter bringen. Es galt dabei nur einige Hürden zu überwinden: Fehlende Beweise, keinerlei Indizien, gesetzliche Verjährungsfristen und einen hormonell gesteuerten Polizeipräsidenten, der Louise wie seinen Augapfel hütete. Und wer weiß, wie weit Louise ihre Kreise gezogen, wie dicht sie ihre Fäden schon gesponnen hatte.
Sie musste unverschämt fest im Sattel sitzen, sonst hätte sie nicht derart offen mit ihm gesprochen.
Wenn er ehrlich war, war er keinen einzigen Schritt weiter gekommen. Er hatte im aktuellen Fall nichts Neues erfahren, konnte Louise nicht überführen (nicht einmal die geschichtsträchtige Indianerasche konnte er ihr vorhalten) und war sich dennoch sicherer denn je, dass sie hinter den Vermissten steckte und sich innerlich über ihn und seine Hilflosigkeit lustig machte.
Es reichte ihm, er wollte weg von ihr, nichts mehr von ihren Geschichten hören, er musste wieder alleine sein, um in Ruhe über alles nachdenken zu können.
„Ich weiß es nicht, glaube aber kaum“, antwortete er lahm auf ihre Frage nach seinem eigenen Lebensfazit.
Louise erkannte seine Müdigkeit, prostete ihm mit ihrem Pastis wortlos zu, leerte das Gläschen in einem Zug, legte Geld auf den Tisch, erhob sich und forderte ihn auf:
„Es wird Zeit für Sie zu gehen. Genießen Sie noch den Rest Ihres freien Tages. Lassen Sie sich ein bisschen die Landluft um die Nase wehen, das bringt frischen Wind in Ihre Gedanken. Ich begleite Sie zu Ihrem Parkplatz.“
Wortlos spazierten sie gemächlich zu Marcels Dienstwagen. Sie reichte ihm zum Abschied unverbindlich freundlich die Hand, die vorsichtig aufgekeimte Vertrautheit war verschwunden. Marcel nahm ihre Hand, drückte sie leicht, ließ den Blick über ihr Gesicht wandern, stieg in seinen Wagen und blickte sich nicht um, als er die Zufahrt des Marktplatzes verließ.
Louise atmete auf. Er glaubte ihr nicht ganz, war verunsichert und auf der Hut. Sie musste ihn auf diese Weise nur noch ein, zwei Wochen hinhalten. Wie man heute gesehen hatte, war das durchaus möglich.
Alette
Für den Samstag hatte sich Alette einen ausgiebigen Schönheitstag mit kombinierter Shoppingtour verordnet. Sie begann mit einem mehrstündigen Besuch in ihrem Kosmetiksalon, begab sich am Montmartre auf die erquickende Suche nach bizarren Fetischen und kehrte danach zur Stärkung im Hotel Louvre auf ein exklusives Sektfrühstück ein. Sie durchstöberte die Tageszeitungen nach neuesten Berichten über die abgängigen Männer, stieß aber nur auf eine spärliche Mitteilung, dass es wieder einen Vermissten zu beklagen gab. Allerdings hielt sich die Presse mit ausführlichen Details in allen Fällen zurück, wahrscheinlich weil die Männer der politischen Upperclass angehörten und über genügend Einfluss verfügten, um kompromittierende Einzelheiten nicht veröffentlichen zu lassen. Alette schmunzelte bei dem Gedanken, dass der Ermittlungsleiter bei Louise gestern Abend offensichtlich nicht besonders erfolgreich gewesen war. Sie wusste, dass alle Männer bei Louise ein und aus gegangen waren, aber Louise war eine Meisterin in Sachen Verschwiegenheit und Täuschung. Nicht umsonst war sie in ihrer Branche ungekrönte Einzelunternehmerin mit nach wie vor erlesenem Kundenstamm, auch wenn ihre Freunde mittlerweile ebenso wie Louise selbst bereits ein reiferes Alter erreicht hatten. Alette war dies nur recht, konnte doch dadurch sie selbst sich um die jüngeren Kunden kümmern und für Marta fielen noch immer genügend einfältige, weniger gut situierte Männer ab, die sich
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