Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)

41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)

Titel: 41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Ferr
Vom Netzwerk:
Märchenbahnen und Karussells, die für kleinere Kinder konzipiert wurden. Für Hendrik war dieser Umstand durchaus angenehm, er war viel zu alt für den Nervenkitzel schwindelerregender Höhen und sein angegriffenes Herz würde außerdem solch jugendlichen Unfug nicht mehr widerspruchslos erdulden.
    Jeden Samstag brachte der Chauffeur Hendrik und Luc mit der auf Hochglanz polierten Limousine zum Haupteingang, wo sie meist von einer freundlichen Studentin in Empfang genommen und auf das Gelände geführt wurden.
    Luc hatte eine entspannte Nacht verbracht und war am Morgen, nachdem Hendrik ihm erklärt hatte, es sei wieder Minnie Mouse Samstag, gleich aufgeregt wie jeden Samstag. Auf der Fahrt in das Disney Ressort hatte er abwechselnd munter vor sich hingeplappert oder konzentriert seine ineinander verkrampften Finger betrachtet. Hendrik hatte anfangs noch seinen um Louise kreisenden Gedanken nachgehangen, doch sobald sie von Goofy, Mickey Mouse und Winnie Puh umringt waren, ließ auch er sich von der ausgelassenen Stimmung mitreißen. Sich unter fröhlichen, unbeschwerten jungen Menschen aufzuhalten, machte Hendrik immer froh und heiter, auch wenn ihm stets bewusst war, dass er seine Lebenszeit zum größten Teil aufgebraucht hatte. Umso mehr schätzte er Tage wie diesen, an denen er sich der Illusion von Unsterblichkeit bedenkenlos hingeben konnte.
    Luc zog ihn fest und ungeduldig bei der Hand in Richtung eines Verkaufsstandes, der knallgelbe Zuckerwatte feilbot. Einem ungeschriebenen Gesetz folgend, begann jeder Ausflug mit knallgelber Zuckerwatte. Der Verkäufer kannte sie inzwischen gut und überreichte mit großer Geste Luc seinen Wattestab und Hendrik – als besonderes Extra für seinen alten Stammkunden – feuchte, in Plastikfolie eingeschweißte Reinigungstücher. Dafür war Hendrik ihm sehr dankbar, denn knallgelbe Zuckerwatte durfte Luc alleine essen, da er sich damit nicht verletzen konnte. Wenn nach geraumer Zeit aber nur mehr der Holzstab übrig war, sah Luc aus wie ein zerzauster Kanarienvogel mit verklebtem Gesicht und zugekleisterten Fingern. Erst wenn ihn Hendrik mit den Tüchern sorgfältig abgewischt hatte, konnte die Suche nach neuen Abenteuern fortgesetzt werden. Heute drängte es Luc zu den überdimensionalen Tassen aus Alice im Wunderland, in deren Inneren man sitzen und sich im Kreis drehen lassen konnte.
    Hendrik achtete schon lange nicht mehr auf die teils mitleidigen, teils angewiderten Blicke, die ihnen folgten, als sie an der Warteschlange vorbei dem Sondereingang zustrebten. Aber heute war kein Angestellter an dem Seitentor, der ihnen den Weg zu einer Tasse freigemacht hätte. Zu Hendriks Überraschung begann Luc aus Zorn weder zu toben noch zu weinen, als er ihm erklärte, dass sie sich ausnahmsweise einmal hinten anstellen müssten, sondern er trottete neben Hendrik her, den Kopf gesenkt, die Finger ineinander verschränkt. In der Reihe vor ihnen wartete ein junges Ehepaar mit ihren dreijährigen, aufgeregt kichernden Zwillingen auf den Einlass. Hinter ihnen schloss ein finster blickendes Mädchen mit einem kleinen Jungen auf. Hendrik vermutete, dass die schlechte Laune des Mädchens daher rührte, dass es seinen Bruder auf der wenig spannenden Fahrt in den Tassen begleiten musste. Luc drehte sich um und musterte die Jugendliche aufmerksam. Sie mochte ungefähr sechzehn, siebzehn Jahre alt sein, war von molliger Statur und setzte ihre weiße, sommersprossige Haut mit einem hautengen, trägerlosen Shirt ungeschützt der Sonne aus. Sie stellte ihren ansehnlichen, jugendlich prallen Busen stolz zur Schau und nahm dafür auch einen Sonnenbrand in Kauf. Ihre feuerroten Haare schienen im gleißenden Sonnenlicht zu glühen. Luc drehte sich wieder um, er war ganz ruhig geworden, nur seine Finger bewegten sich unablässig und er runzelte angestrengt die Stirn, auf der sich ein paar Schweißtropfen gebildet hatten. Das Mädchen schimpfte flüsternd mit seinem Bruder, der Luc ungeniert anstarrte.
    „Hör auf zu starren, das gehört sich nicht. Er ist doch nur ein armer Krüppel.“
    Als ob Luc die Bedeutung der Worte verstanden hätte, schnellte er plötzlich unvermittelt herum, riss seine Hände in die Höhe, verkrallte seine Finger ungestüm in den Brüsten des Mädchens und versuchte, seinen Kopf zu seinen Fingern zu pressen.
    Das Mädchen kreischte gellend auf.
    Hendrik fuhr entsetzt herum und schrie: „Luc! Lass los! Sofort! Luc, ich bitte dich!“
    Doch Luc war zu fasziniert davon,

Weitere Kostenlose Bücher