41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)
ausgearbeitet.
Hendrik hatte sich nach den anstrengenden Aufregungen des Tages von seinem Hausarzt ausnahmsweise zu einer Schlaftablette überreden lassen, die er mit einem großzügigen Schluck Rotwein beinahe verzweifelt hinunterstürzte. Die Wirkung trat augenblicklich ein und ihn überfiel ein traumloser und gerade deshalb nicht erholsamer Schlaf.
Luc war von Marie zu Bett gebracht worden – eine unliebsame Unterbrechung seines Schlafen-Gehen-Rituals mit Hendrik, das ihn quengelig und unruhig machte. Marie bemerkte, dass seine Hände unter der Pyjamahose wie wild zuckten und beschloss, dass der arme, alte Hendrik endlich einmal eine ungestörte Nacht verdient hatte. Kurzerhand bereitete sie für Luc einen Schlummertrunk, dem sie ohne Gewissensbisse ein leichtes Schlafmittel beifügte. Luc trank begeistert die gesüß-te Milch und wenige Minuten später entspannte sich seine verkrampfte Muskulatur. Doch seine Stirn blieb auch im Schlaf gerunzelt, so, als ob er ein schwerwiegendes Problem zu lösen hätte.
Alette hatte einen wunderbaren Samstag verbracht. Zufrieden kuschelte sie sich in ihrem Penthouse auf die Couch vor ihren Fernseher und nach ein paar Gläsern Prosecco schlief sie ein. Sie würde am nächsten Morgen ausgeruht und wunderschön ihren Journaldienst am Flughafen antreten können.
Louise las noch einige wenige Zeilen in ihrem historischen Liebesroman, löschte das Licht und dachte müßig darüber nach, dass sie abfällige Bezeichnungen wie Nutte, Dirne oder Schlampe noch nie leiden hatte können. Auch Freudenmädchen oder Prostituierte kamen dem Kern oder Sinn und Zweck ihrer Arbeit nicht im Geringsten nahe. Hure hingegen gefiel ihr. Das Wort hatte alleine auf Grund seiner unverhohlenen Vulgärheit einen Hauch von verruchter Noblesse, wie in dem berühmten Kinofilm „Die Hure des Königs“. Nur dass eigentlich sie die Königin war.
Sonntag
Louise
Louise hatte eine ruhige Nacht mit ausgiebigem, geruhsamem Schlaf hinter sich. Marcels Besuch in Anchieu hatte in ihrem Unterbewusstsein keine schlaflosen Spuren hinterlassen. Sie war früh von ihrem Markttag zurückgekehrt und hatte auf der Fahrt zurück nach Paris beschlossen, die letzte Reise in ihr verlockendes Lebensabendrot nicht wie geplant in einem halben Jahr anzutreten, sondern auf den kommenden Donnerstag vorzuverlegen. Ihre Flüge waren ohnehin längst gebucht, die nicht mehr erforderlichen Retourtickets würde sie vor Ort entweder stornieren oder als Sonderausgabe problemlos verschmerzen. Die Vorkehrungen, die bis dahin noch getroffen werden mussten, ließen sich ebenso problemlos in den nächsten Tagen erledigen. Zum Glück waren die Besuche ihrer Freunde, deren Hilfe sie dazu noch benötigte, bereits vor längerer Zeit vereinbart worden. Sollte einer von ihnen ein Treffen nicht einhalten können, würde ihr bestimmt auch für dieses unerwartete Problem eine Lösung einfallen; sie war erfinderisch und flexibel beim Lösen von unerwarteten Problemen. Die Vorfreude auf ihr letztes Lebensviertel durfte sie jedoch nicht daran hindern, jedes kleinste Detail bei ihren Vorbereitungen penibel im Auge zu behalten.
Die Kisten waren ausgepackt und weggeräumt, Louise hatte ein wohliges Bad genommen und es sich mit ihrem Laptop im Bett gemütlich gemacht, um sich noch Notizen darüber zu machen, was sie alles in der kommenden Woche keinesfalls vergessen durfte. Danach war sie angenehm entspannt und mit freudigen Gedanken an den Sonntagvormittag eingeschlafen.
Nun war sie erholt erwacht und bereitete sich gewissenhaft auf ihren ersten Besucher des Tages vor. Der Sonntagvormittag war ein äußerst beliebter Termin bei ihren Gästen, doch zwischen zehn und zwölf Uhr war sie seit nunmehr dreißig Jahren unabkömmlich. Ein Bankier, Gründer eines privaten Bankhauses und Louises intimer Berater in finanziellen Angelegenheiten, ließ ihr seit ebenso langer Zeit monatlich eine ansehnliche Apanage zukommen, unabhängig davon, ob er sonntags ihre Dienste in Anspruch nahm oder verhindert war. Offiziell begründete er seine regelmäßige Abwesenheit seiner Ehefrau gegenüber mit Clubsitzungen zur Erhaltung des tropischen Regenwaldes. Die Gemahlin stellte keinerlei Fragen, da diese Sitzungen bereits lange, bevor er sie ehelichte, ein unumstößlicher Bestandteil im Leben ihres Gatten waren.
Trotz seiner annähernd fünfundsiebzig Jahre war er geistig und körperlich gesund und agil geblieben und ließ sich meist weder von Wind und Wetter noch von
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