41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)
höchstpersönlich kamen, immun. Sehr erfreulich.
Marcel
Marcel spürte allmählich Boden unter den Füßen, er fühlte sich endlich wieder als Leiter der Ermittlungen, Herr der Lage. Er hatte den ganzen Vormittag geschlafen, sich vom Inder ein leichtes Mittagessen kommen lassen und machte sich nun daran, sämtliche erforderlichen Formulare für eine Hausdurchsuchung sowie DNA- und Spurenanalyse in Louises Haus akribisch auszufüllen und für die unabdingbaren Unterschriften des Polizeipräsidenten und Staatsanwaltes vorzubereiten. Es durfte und würde ihm auch kein formaler Fehler dabei unterlaufen.
Wenn alles gut ging, würde er morgen Mittag mit einer Beamtenstaffel der Spurensicherung bei Louise einfallen und am späten Nachmittag nach Marseille aufbrechen. Dort würde er in Louises Vergangenheit wühlen, Menschen aufspüren, die sie oder ihre Familie gekannt haben, ihre Geschichten überprüfen und mit ein bisschen Glück Ungereimtheiten, Lücken oder nützliche Erkenntnisse entdecken. Auf jeden Fall aber würde er weitaus klüger nach Paris zurückkehren. Er war überzeugt davon, dass er in Marseille fündig werden würde, dass die Wurzel allen Übels, das von Louise ausging, in ihrer Heimatstadt zu suchen war.
Es überkam ihn eine kribbelige Unruhe, er wollte sofort jetzt loslegen, wusste aber, dass dies unsinnig und nicht unbedingt von Vorteil wäre. Um sich abzulenken, spazierte er zu Fuß in die Rue Loubert in der Hoffnung, Alette anzutreffen und sich von ihr gegen einen freundschaftlichen Polizistenrabatt eine ausgiebige erotische Massage bescheren zu lassen.
Hendrik
Hendrik kämpfte sich mühsam durch die zerrissenen Nebelfetzen seines chemisch herbeigeführten Tiefschlafes. Seine Knochen schmerzten bei der kleinsten Bewegung, doch ein Blick auf die Uhr am Nachttisch ließ ihn erschrocken aus dem Bett hochfahren. Es war bereits Mittag und sein erster aufgewühlter Gedanke galt Luc. Mit fahrigen Bewegungen warf er sich seinen Morgenmantel über und eilte mit viel zu schnell klopfendem Herzen in Lucs Zimmer. Das Bett seines Sohnes war leer, die Vorhänge zurückgezogen, das Fenster geöffnet und sein Pyjama lag ordentlich gefaltet auf dem Kopfpolster. Wohltuende Geräusche aus der Küche verrieten Hendrik, dass sich Marie Lucs angenommen hatte und mit ihrer verlässlichen Umsicht alles fest im Griff hatte. Hendrik schlurfte müde und zerschlagen ins Badezimmer. Die tägliche Prozedur gewissenhafter Körperhygiene sowie das Auswählen der Kleidung erforderten von Tag zu Tag mehr Kraft, Zeit und Geduld. Als er bereit war für die unbekannten Herausforderungen des neuen Tages, gesellte er sich zu Marie und Luc in die Küche. Marie hatte beschlossen, Luc an diesem herrlichen Sommertag gemeinsam mit ihren Enkelkindern und ihrem Mann in den Zoo mitzunehmen, damit Hendrik Gelegenheit hatte, sich noch ein wenig zu erholen.
Hendrik war gerührt über ihre Hilfsbereitschaft und dankbar für die wenigen unbelasteten Stunden, die vor ihm lagen. Er wollte Louise in seinen vornehmen Club zu einem Essen ausführen, um mit ihr über Lucs Zukunft und seinen unbändigen Drang nach körperlicher Befriedigung sprechen. Louise ging nach mehrmaligem Läuten ans Telefon, registrierte die Bedrücktheit in Hendriks Stimme und begriff sofort den Ernst der Lage.
Mit einem Schlag fühlte sich Hendrik besser und er wurde beschwingt und aktiv. Er informierte seinen Chauffeur und reservierte in seinem Club einen abgelegenen Tisch, damit sie ungestört waren.
Die Zeiten, in denen er mit Louise heimlich verschwiegene, drittklassige Restaurants besucht hatte, waren längst vorbei. Schon lange schämte er sich nicht mehr dafür, mit einer Hure in der Pariser Öffentlichkeit gesehen zu werden. Er begegnete den amüsierten, schockierten, mitleidigen aber auch teilweise sogar neidvollen Blicken der ach so ehrenwerten Gesellschaft mit Gleichmut, Gelassenheit und Verständnis. Die menschliche Natur war ihm nur allzu gut vertraut und er wusste, dass nur die wenigsten unter seinen Artgenossen den Mut hatten, gesellschaftlich und moralisch absonderliche Normen zu brechen. Er bedauerte zwar die scheinheilige Fassade der anderen, genoss jedoch das Bewusstsein um seine eigene, innere Freiheit.
Das angeregte Gespräch mit Louise ließ in ihm wieder vorsichtige Hoffnung aufkeimen, dass die Probleme mit Luc gelöst werden konnten. Sie teilte die Ansicht des Hausarztes und schlug vor, Alette und Marta um Unterstützung zu bitten. „Ich glaube,
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