41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)
seine Kontakte zu einer Zweigstelle in Frankfurt an, um sie als Kundin nicht zu verlieren, scheiterte an Louises Starrköpfigkeit und sicherte ihr letztendlich resigniert zu, innerhalb von zwei Stunden das Geld für sie zur Abholung bereitzustellen.
Louise dankte ihm überschwänglich für sein Verständnis und seine Bemühungen und spazierte durch die von der Hitze gelähmte Pariser Innenstadt zu ihrem Schönheitssalon, den sie nach beinahe drei Stunden mit zwei dezenten Designertragetaschen – vollgepackt mit exklusiven Kosmetika – verließ. Sie schlenderte in eine abgelegene Seitenstraße und kippte all die eben erst zu horrenden Preisen erstandenen Tuben, Tiegel und Fläschchen in eine Mülltonne. Sie rief von einem Cafè aus erneut ein Taxi und fuhr zurück zur Credit Suisse.
Dort war wie versprochen alles nach ihren Wünschen erledigt worden und der Bankdirektor bewunderte ihre Umsicht, dass sie das Geld unauffällig in ihren Kosmetiktüten transportieren wollte. Er hatte sich sorgenvolle Gedanken über ihre Sicherheit gemacht und in Erwägung gezogen, sie zu ihrer Wohnung unter Polizeischutz zu begleiten. Nur dem Umstand, dass er Louise selbst die Entscheidung darüber überlassen hatte wollen, hatte sie es zu verdanken, dass sie von allen Freunden und Helfern unbehelligt alleine nach Hause fahren konnte.
Als sie mit dem Taxi wieder in der Rue Loubert vorfuhr, erweckte sie den Eindruck, dass sie bei ihrem ausgedehnten Einkaufsbummel einigermaßen erfolgreich gewesen war und nun bepackt mit Utensilien zur Pflege ihrer Schönheit zufrieden nach Hause zurückkehrte.
Die Putzhilfe hatte mittlerweile den größten Teil des Appartements akribisch gesäubert, war jedoch noch nicht ganz fertig. Louise deponierte ihre beiden mit Banknoten gefüllten Einkaufstaschen in ihrem Kleiderschrank, stapelte einige Schuhkartons darauf und ging hinunter ins Bistro, um sich bei einem Plausch mit Marta die Zeit zu vertreiben. Vielleicht würde ja auch Alette zu ihnen stoßen. Dann könnte sie mit den beiden die Angelegenheit wegen Luc klären, sie überreden, ihn zu betreuen und Termine mit Hendrik vereinbaren.
Es würde das letzte Mal sein, dass sie einen zwanglosen, gemütlichen Abend mit ihren beiden treuesten Freundinnen verbringen konnte.
Marcel
Marcel erreichte Marseille am späten Abend und trotz des ereignisreichen Tages und der anstrengenden Fahrt fühlte er sich keineswegs müde.
Marseille hatte sich in den letzten zwanzig Jahren zu einem Moloch entwickelt, dessen Hafen der Mittelpunkt von Drogen- und Menschenhandel sowie Kriminalität in allen nur erdenklichen Erscheinungsformen war. Ein neu entstandenes Problem, das die Polizei nicht eine Sekunde ruhen ließ, stellte der florierende Organhandel dar.
Da Marcel nur eine leise Ahnung hatte, dass er mit seinen Nachforschungen über Louise an dem Ort ansetzen sollte, an dem sie als Kind mit ihrem Karren ihre Waren feilbot, hatte er auf der langen Fahrt Kontakt zu dem leitenden Beamten der Außenstelle „Hafenviertel“ aufgenommen. Dieser hatte sich anfangs wenig hilfsbereit gezeigt. Chronischer Personalmangel und drastische Zunahmen von Schwerverbrechen, deren tägliche Bearbeitung nicht zu bewältigen war, ließen ihn automatisch unfreundlich werden, sobald er mit einem zusätzlichen Anliegen belästigt wurde. Als Marcel ihm erklärte, dass er sich möglicherweise maßgeblich an der Aufklärung eines Serienmordes an achtzehn gut betuchten Männern aus den höchsten Kreisen der Pariser Gesellschaft beteiligen konnte, stellte er Marcel einen jungen Polizeischüler für seine Erkundung des Hafenviertels zur Verfügung. Einerseits, um bei einer eventuellen Aufklärung des Falls einer Beförderung wegen seiner Umsicht und selbstlosen Hilfe einen Schritt näher zu sein, andererseits, weil er keinen Polizeischüler aus Sicherheitsgründen alleine in dieses Viertel schicken konnte. Da kam ihm eine erfahrene Begleitung aus der Pariser Präfektur gerade recht.
Marcel war von der Aussicht, die kriminelle Gegend mit einem Grünschnabel durchforsten zu müssen, nicht gerade begeistert. Er sah seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt, als der Jüngling am vereinbarten Treffpunkt zu ihm ins Auto stieg. Ein pickeliges Milchgesicht, die Kappe viel zu groß, die Ohren darunter eingeklemmt, in die Uniform würde er erst noch hineinwachsen müssen, die Hände zu schmal und schwach, um den Abzug der Dienstwaffe drücken zu können, der Schlagstock würde ihm aus den Fingern
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