41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)
Erregung. Er freute sich noch viel mehr, als Hendrik den gewohnten Weg zur Rue Loubert einschlug und Louises Stimme im kühlen Treppenhaus rief fiebrige Gefühle in ihm hervor.
Die andere Frau hatte er schon des Öfteren im Bistro gesehen. Sie war laut und roch grässlich. Wie Marie, wenn sie die üble Suppe aus dem fleischigen Krautkopf kochte. Ihre Stimme klang in seinen Ohren unangenehm schrill und schmerzte in seinem empfindlichen Kopf. Aber sie hatte unter ihrem Kleid enorme, weiche Bälle. Daher ließ er sich auch willig von ihr von Louise weg führen, vielleicht konnte er ein bisschen üben, seine Finger im richtigen Moment zu strecken und wieder zusammenzuziehen. Und auch die Sache mit dem Mund klappte noch nicht so richtig.
Hände ausfahren, Finger strecken, Bälle fassen, Finger krümmen, Mund zu den Fingern führen – das war alles. Wenn es nur nicht so schwierig wäre, gleichzeitig zu denken und sich zu bewegen!
Marta redete ununterbrochen auf ihn ein und er verstand von all dem gar nichts, außer dass er Kekse mit Schokolade bekommen würde. Aber er mochte keine Kekse. Schokolade ja, Kekse nein. Die Frau hatte auch komische Haare, kurz und borstig.
Marta setzte ihn auf einen Küchenstuhl, holte einen Teller mit den Keksen, beugte sich über ihn und hielt ihm ein dunkelbraunes Gebäckstück direkt vor die Nase.
Luc sah seine Gelegenheit gekommen. Er fuhr mit beiden Händen mit einem Ruck in die Höhe, schlug Marta dabei den Teller aus der Hand, der klirrend am Boden zerschellte, krümmte seine Finger und mit einem triumphierenden Aufschrei packte er Martas Busen und drückte sein Gesicht in den voluminösen Ausschnitt ihres Kleides. Marta schrie ebenfalls erschrocken auf, riss seine Handgelenke weg (und mit ihnen auch den Stoff des Kleides) und taumelte einen Schritt zurück.
Doch Luc gab jetzt nicht auf, er hatte es fast geschafft. Er sprang von seinem Sessel auf und fasste zappelnd wieder nach Marta, streifte sie aber nur mehr ungewollt grob mit den Fingernägeln an der Wange.
Martas Lippen zitterten, aber sie schimpfte nicht mit ihm und schlug ihn auch nicht. Sie nahm seine Hand, führte ihn zurück zum Sessel, beugte sich wiederum über ihn und drückte seinen Kopf behutsam an ihren ausladenden Busen.
Reglos und still verharrte Luc an ihren flauschigen Bällen und sog atemlos ihren Duft ein.
Aber irgendetwas stimmte hier nicht. Da war kein Gefühl. Er spürte keine Erleichterung, im Gegenteil, das Aroma, das von Marta aufstieg, verursachte ihm Übelkeit. Jetzt begriff er, dass nur Louise dieses einmalige Gefühl besaß. Nur bei ihr konnte er finden, was er suchte.
Abgrundtiefe Enttäuschung und Verzweiflung stiegen in ihm auf. Er hob seinen Kopf, sah in Martas freundliches, aber derbes Gesicht, öffnete den Mund und begann zu schreien.
Louise
Louise sah nachdenklich auf Lucs dunklen Hinterkopf hinab, der über ihren Füßen gebeugt verhalten zuckte. Sie hatte keine Ahnung, was ihm solche Qualen bereitete oder womit Marta ihn so aus der Fassung gebracht haben könnte. Niemand konnte genau sagen, was in seinem komplizierten Gehirn vor sich ging, sie glaubte auch nicht, dass Hendrik das konnte. Vermutlich erriet er Lucs Stimmungen oder Beweggründe, weil er sein Verhalten besser deuten konnte. Aber mit Sicherheit wusste niemand, in welcher Welt Luc lebte, wie er fühlte, was er dachte.
Vielleicht ist es auch besser so, mutmaßte Louise.
Um ihn nicht noch mehr aufzuregen, fasste sie ihn sanft an seinen beiden Schultern, zog ihn hoch und stützte ihn, bis er seine verkrüppelten Beine in eine stabile Position gebracht hatte, die es ihm ermöglichte, ohne fremde Hilfe gerade zu stehen.
Sie wickelte die Folie der Bonbons auf und reichte ihm das, was von der zerronnenen, weichen Schokolade noch übrig war.
Er hatte sich langsam beruhigt, schluchzte noch kurz und trocken auf und schnappte sich mit schnellem Griff das glitzernde Papier aus Louises Hand. Er hielt sich die zerknitterte Hülle vor den Mund und schleckte gierig die schmierige, braune Masse ab. Das Meiste davon landete auf seinem Kinn, unter der Nase, auf seinen Wangen und ein Klecks davon sogar auf seiner Stirn.
Louise seufzte ungeduldig auf. Nun würde sie ihn wieder waschen müssen, bevor sie ihn Hendrik zurückbrachte. Aber das gab ihr auch die Gelegenheit, ihn so weit wieder herzustellen, dass Hendrik von dem Fiasko nichts bemerken würde.
Automatisch begann sie ihren kindlichen Singsang, der bei dem Jungen noch nie seine
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