41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)
er sich anzog, den Geldschein in seiner Jackentasche entdeckte und mit gebeugten Schultern schwer angeschlagen im dunklen Treppenhaus verschwand.
Sollte er doch denken, was er wollte. Seine Feigheit war ihr zuverlässigster Polizeischutz. Sie machte sich auch keine ernsthaften Sorgen darüber, ob Spuren in ihrem Haus gefunden werden würden. Sollte es wider Erwarten dazu kommen, würde sie es dort, wo sie dann weilte, nicht mehr erfahren.
Louise räumte im Gästezimmer mit wenigen Handgriffen auf und erfrischte sich im Bad. Der vorzeitige Abgang Pricards ließ ihr nun erfreulichen Spielraum für ein Gläschen Secco und eine Zigarette, bis der Notar mit den Schenkungsdokumenten für Alette eintreffen würde. Ein Mitarbeiter seiner Kanzlei sowie Louises Hausmeister würden als Zeugen für den Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte fungieren, während sie ihre erforderlichen Unterschriften setzte. Somit würde dem Gesetz Genüge getan, die Schenkung wäre rechtskräftig und unanfechtbar.
Und so war es auch. Die ganze formelle Prozedur dauerte nicht länger als eine halbe Stunde und ging völlig reibungslos über die Bühne. Louise bedankte sich telefonisch bei ihrem Bankier für seinen Einsatz und versprach ihm für seinen nächsten Sonntagsbesuch eine prickelnde Überraschung unter der Guillotine.
Sie verpackte die kostbare Dokumentenmappe in schwarzes Seidenpapier, umwickelte sie mit einer blutroten Satinschleife und steckte eine schneeweiße Calla unter das Band. Sie ließ das Geschenk für Alette vorsichtig in eine schmale Ledermappe gleiten, auf deren Vorderseite in goldenen Lettern Alettes Initialen geprägt waren. Das nächste Paket wurde ebenso liebevoll verpackt. Sie holte die beiden Einkaufstüten aus ihrem Kleiderschrank, entnahm die Schuhschachteln, die zuoberst lagen (Superspürnase Pricard!) und schlichtete die darunter liegenden, gebündelten Geldscheine Stoß für Stoß in einen leichten Karton. Nun gingen die Scheinchen auf die Reise. Sollte ihnen auf ihrem Weg etwas Unvorhergesehenes wie zum Beispiel eine Zollkontrolle geschehen, würde es keinerlei Hinweise auf Louise geben. Sie schlug den Karton in rosa Geschenkpapier für Kinderpartys, verschloss ihn fest mit bunten Bändern und beschriftete ihn in kindlicher Handschrift mit: Postkantoor Kust Straat, Brievenbus 60, 31661 St. Maarten. Absender führte sie keinen an, wozu auch? Mit etwas Glück würde das Geld in ihrem Postfach Nummer 60 ankommen, mit etwas Pech würde es abgefangen werden und sie hätte es verloren. Laut ihren Recherchen im world wide web war der unauffälligste und sicherste Weg für einen Geldtransport die gute, alte Postkutsche. In Zeiten der Korruption und kriminellen Machenschaften von Bankern und Politikern wurden Kontobewegungen rund um den Erdball strengstens kontrolliert. Dies war der Hauptgrund dafür, dass sie ihr Konto bei der Credit Suisse aufgelöst hatte; sie glaubte nicht an Verschwiegenheitspflicht oder sonstigen Ehrenkodex, an den sich sowieso niemand hielt. Sie war gespannt, ob die Statistiken auch für sie zutrafen oder ob man doch nicht alles glauben durfte, was im Internet als der Wahrheit letzter Schluss verkauft wurde. Es wäre bedauerlich, wenn das Geld bei einem gierigen Beamten landen würde, aber kein immenser Schaden. Sie war seit zehn Jahren stolze Besitzerin eines Kontos einer lächerlich unscheinbaren Bankfiliale auf St. Martin und zum Glück nicht angewiesen auf ihre Barschaft in Paris. Sollten Nachforschungen bezüglich des Postfachs angestellt werden, würde man die erstaunliche Entdeckung machen, dass es von Bert Onestone, wohnhaft in Princeton, New Jersey, gemietet und für fünf Jahre im Voraus bar bezahlt worden war. Und nein, niemand hatte es je besucht und geöffnet. Und nein, es war noch nie Post für dieses Fach gekommen. Der betagte Schalterbeamte konnte sich (aufgrund einer stattlichen Zuwendung von Louise) natürlich nicht mehr an den Herren von seinerzeit erinnern. Dafür würde er aber für den Fall, dass ein gewiefter Kommissar das angekommene Paket beobachten ließ, Louise warnen. Sie hatte vor, es nach ihrer Ankunft auf St. Martin noch geraume Zeit im Postfach liegen zu lassen und die Lage sorgfältig zu sondieren. Erst wenn sie sich sicher war, in keine Falle zu geraten, würde sie es abholen.
Sie telefonierte mit Hendriks Chauffeur, der gegen eine Verlängerung seiner Bondagesitzung (die nie mehr stattfinden würde) freudig ihren Auftrag annahm, das Paket zu dem Postamt am Disney
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