41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)
ins Bad begab, griff sie auf ihr durch jahrelange Erfahrung bewährtes Hausmittel für diese ganz besonders lähmenden Tage zurück. Sie bereitete sich einen extrastarken, doppelten Espresso zu, löste darin zwei Aspirintabletten auf, fügte reichlich Honig hinzu und schluckte das heiße, eklige Gebräu in einem Zug und mit fest zusammen gekniffenen Augen.
Nach nahezu zwei Stunden hatte sie die Spuren an sich selbst und in ihrem Appartement restlos beseitigt und sich wieder fest im Griff. Marta kam wie vereinbart um zehn Uhr in furchtbar desolatem Zustand. Louise verfrachtete sie ins Badezimmer und verpasste ihr ein Spezial – Pflegeprogramm á la 41 Rue Loubert inklusive Bein-, Achsel- und Damenbartenthaarung. Sie wählte aus ihrem Kleiderschrank ein olivgrünes Sackkleid aus Leinen mit beachtlichem Dekolleté, suchte passende Dessous (die Marta vermutlich zwar sprengen würde, aber Louise selbst würde sie ja nicht mehr benötigen) und ließ sich sogar dazu hinreißen, ihre alte Freundin mit eleganten Sandaletten auszurüsten (die sie selbst nach einem prüfenden Blick auf Martas Füße ebenfalls nie mehr benützen würde). Es blieb sogar noch Zeit für ein kleines Schlückchen Prosecco zur Aufmunterung, bevor Hendriks und Lucs erwartungsvolle Gesichter am Videobildschirm erschienen. Louise öffnete das Tor und begleitete Marta hinunter, um die beiden zu empfangen und Marta ein wenig den Rücken für ihre erste niveauvolle Begegnung zu stärken.
Lucs Arme schnellten nach vor, um Louise begeistert zu begrüßen, doch sie trat einen Schritt zurück und schob stattdessen Marta in seine Richtung.
Luc reagierte, wie Louise es erwartet hatte: Er zog seine Augenbrauen zusammen, stieß ein verärgertes „Pfffff“ hervor und bereitete sich darauf vor, gellend loszuschreien. Doch Marta kam ihm zuvor. Sie ergriff seine zu Klauen geformten Hände, drückte sie auf ihren prall gefüllten Ausschnitt und gurrte schmeichelnd: „Luc, mein Süßer, heute werde ich mich um dich kümmern. Freust du dich? Ich hab ja schon so auf dich gewartet! Ich hab auch feine Schokokekse für dich! Komm, ich zeig dir, wo sie sind!“
Louise suchte Hendriks Blick, der etwas betreten Martas erbärmliche Schauspielkünste verfolgte, und als er den Kopf leicht zu ihr wandte, schielte sie lächelnd übertrieben mit den Augen. Hendrik schmunzelte verhalten.
Marta zog Luc langsam von Louise und Hendrik weg und zeigte ihm den Weg zu ihrem geheimen Appartement am Ende des Ganges. Luc ließ sich zwar widerstandslos führen, drehte sich aber immer wieder um, deutete dabei mit einer Hand ungelenk in Louises Richtung und murmelte unsicher „Mahhhh, mahhhh, pfahhh, pfahhh?“
Louise winkte ihm aufmunternd zu, Hendrik rief überlaut: „Viel Vergnügen, mein Junge! Lass es dir gut gehen!“
Schließlich verschwanden Luc und Marta hinter der Wohnungstüre.
Hendrik und Louise standen verlassen im kühlen, dunklen und plötzlich stillen Treppenhaus und ein nachdenkliches Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Louise ergriff als erste das Wort.
„Ich würde dich ja gerne nach oben einladen, Hendrik. Aber ich erwarte in ein paar Minuten einen lieben Freund.“
„Das ist kein Problem, meine Liebe. Ich werde wie immer in der Bar auf Luc warten. Nun komme ich dank deiner Hilfe noch öfter aus dem Haus und unter die Menschen. Die Besuche bei Marta und Alette werden nicht nur Luc gut tun, sondern auch mir.“ Dabei lächelte er heiter, drehte sich um, schlurfte den dunklen Gang entlang und als das Tor hinter ihm mit einem verhaltenen Klacken ins Schloss fiel, spürte Louise ein unvermutetes Ziehen entlang des Nasenrückens, ihre Augen tränten heiß und sie flüsterte: „Ich werde dich vermissen, Hendrik.“
Marcel
Marcel hatte in Erwägung gezogen, den Laster mit Blaulicht anzuhalten und den Fahrer nach Herkunft, Fahrtroute, Eigentümer der Flotte, Fracht und sonstigen unwichtigen Dingen zu befragen. Er war aber letztendlich davon abgekommen, da er den Eigentümer ja höchstpersönlich kannte und somit Zugang zu Informationen aus erster Hand hatte.
Nachdem der Stau sich aufgelöst hatte, nahm er die erste Ausfahrt der Stadtautobahn, die ihn zur Überlandstraße brachte. Er würde bei seinem Plan bleiben, über Land fahren, Bauern befragen, nach Paris zurückkehren und sich bei Hendrik für den nächsten Tag zu einem ausführlichen Gespräch bei einem gepflegten Cognac unter Männern anmelden.
Er kehrte zum Mittagessen in einem schmuddeligen
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