41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)
Wirkung verfehlt hatte. Während sie ihm mit einem nassen Küchentuch das Gesicht rosig rubbelte und ihm von seinen Händen mit Spülmittel und heißem Wasser die restliche Schokolade rieb, betrachtete er sie ernst und aufmerksam und lauschte ihrer Stimme. Manchmal stieß er einen leisen Ton aus, als wolle er in ihr Lied einstimmen. Louise blickte ihm nicht ins Gesicht, sie konnte seinen wissenden Blick nicht mehr ertragen. In Momenten wie diesen hatte sie das beklemmende Gefühl, er könnte bis auf den Grund ihrer Seele sehen, die dunklen Schatten in ihr erkennen und sie dafür verachten. Doch schon in der nächsten Sekunde legte sich ein trüber Schleier über seine Augen, sodass seine Miene wieder leer und dümmlich erschien.
Mit einem raschen Blick auf die Uhr stellte sie fest, dass sie sich um einige Minuten verspätet hatten und befürchtete, dass Hendrik schon am Tor warten würde.
Um ein fröhliches Lächeln aus Luc hervorzulocken, überwand sie ihren Ekel, drückte ihn kurz an sich und küsste ihn flüchtig auf die Lippen. Ein glückliches Strahlen erhellte seine Züge, das gemeinsam mit der rosig geschrubbten Haut das Bild eines vollkommen entspannten und zufriedenen Luc zeichnete. Genauso wollte sie ihn haben. So wie er jetzt aussah, hatte er bereits alles vergessen.
Sie nahm ihn an der Hand und führte ihn mit aufgesetzt heiteren Worten und verspielten Gesten bis zum Tor, vor dem Hendrik wie erwartet in der prallen Hitze ausharrte.
„Nun, mein Junge, wie ist es dir ergangen?“, fragte Hendrik mehr an Louise gewandt.
„Sieh ihn dir an, Hendrik! Es hat alles bestens geklappt. Ich denke, er fühlt sich wohl bei Marta.“
„Wo ist Marta?“
„Sie hat in ihrer Begeisterung ein klein wenig die Zeit übersehen und macht sich gerade noch frisch. Darum habe ich Luc abgeholt und zu dir gebracht, damit du nicht länger in der Sonne warten musst.“
Hendrik dankte Louise, versicherte sich, dass der Donnerstag-Termin bei ihr für Luc aufrecht blieb und spazierte mit einem vergnügten Luc in Richtung Pariser Innenstadt. Luc drehte sich im Gehen einige Male nach Louise um, die ihm mit gezwungener Fröhlichkeit zuwinkte, bevor sie vehement das Tor von innen schloss.
Nun noch ab zu Marta, diese beruhigen und daran erinnern, das Appartement wieder in Ordnung zu bringen und auch Alettes Küche, dann nach oben, um Pricard zu beschwichtigen und sobald dieser ihr Heim verlassen hatte, mussten endlich die goldenen Schokoladenbonbons vorbereitet werden.
Pricard
Pricard befand sich in einer äußerst misslichen Lage.
Er hatte über das Wochenende die Fallakte zu den vermissten Männern mit nach Hause genommen und sorgsam studiert. Sein von gierigem Karrieredenken seit langem verschütteter Polizisteninstinkt meldete sich verschwommen zu Wort und sagte ihm, dass Louise irgendwie mit dem Verschwinden der Männer zu tun haben musste, daher verstand er jetzt auch, wie sehr Marcel sich in diesen Gedanken verbeißen konnte. Er selbst kannte viele der Männer entweder aus seinem elitären Golfclub oder weil er mit ihnen in offizieller, dienstlicher Funktion schon mehrmals zu tun gehabt hatte. Ebenso wusste er, dass sie Gäste von Louise gewesen waren, selbstverständlich streng geheim und diskret wie er selbst. Er konnte nur hoffen, dass niemand so schlau war, auch sein Geheimnis zu entdecken. Marcel würde ihn mit Sicherheit nicht verraten; dazu war ihm seine Arbeit zu wichtig und sein Alkoholproblem zu deutlich bewusst. Doch wie er es auch drehte und wendete, er konnte weitere Untersuchungen nicht verhindern, ohne sich selbst bloßzustellen.
Auf der anderen Seite war da Louise, die ihm in allen Facetten ihrer Persönlichkeit vertraut war. Sollte sie die Männer tatsächlich verschwinden haben lassen, konnte er trotz aller Anstrengungen kein Motiv erkennen. Sie profitierte nicht vom Tod der Männer; im Gegenteil, das Ausbleiben ihrer regelmäßigen Zahlungen musste ein gewaltiges Loch in ihre Finanzen reißen und das Bild von ihr als mordender Psychopathin oder eiskalter Serienkillerin konnte er beim besten Willen nicht in Einklang mit der Frau bringen, die er so gut zu kennen glaubte.
Er hörte vage Geräusche vom Erdgeschoss durch die Wände dringen, die ihn vermuten ließen, dass es wieder einmal Probleme mit Luc gab. Dazwischen vernahm er Louises beruhigendes Murmeln.
Er stand auf, trat ans Fenster, vertieft in seine Überlegungen. Louises Appartement war bis in den letzten Winkel untersucht worden und auf seine
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