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41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)

41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)

Titel: 41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Ferr
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Gelände zu bringen (sie fand es stilecht, ein Kindergeschenk von einem Vergnügungspark aus zu senden).
    Die nächste Arbeit, die sie vor ihrem zweifellos herrlichen Abend mit Alette im Ritz zum Abschluss bringen musste, verrichtete sie mit Wehmut und ein wenig Trauer.
    Zwei goldene Schokoladenbonbons erhielten mit Hilfe der Injektionsnadel und Einwegspritze aus dem Toaster eine hochdosierte Füllung aus aufgelösten Schlaftabletten. Damit die Flüssigkeit nicht wieder ausrinnen konnte, befeuchtete Louise die Einstichstelle in der Schokolade mit ihrem Speichel, wischte mit der Fingerspitze darüber und legte die Bonbons samt goldener Hülle in den Kühlschrank, damit durch die Kälte die Kuvertüre erstarren konnte und die Bonbons wieder dicht verschloss.
    Die Zeit verflog und sie musste sich auf den Abend mit Alette vorbereiten. Der Maitre des Restaurants im Ritz hatte ihr zugesagt, den Tisch festlich gemäß dem Anlass zu decken, es würde einen separaten Beistelltisch für Blumen, die Ledermappe und ein Überraschungsgeschenk des Hauses geben.
    Sie nahm ein ausgedehntes Schaumbad, wählte elegante Kleidung aus, legte dezenten Schmuck an und überdachte dabei die Ereignisse des Tages. Sie entschied, dass alles hervorragend nach Plan gelaufen war und sie am nächsten Tag beruhigt mit ihren Reisevorbereitungen beginnen konnte.
    Nur noch zwei Nächte in Paris.

Alette, Louise
    Alette konnte sich keinen Reim auf die unerwartete Einladung Louises machen und sah dem Abend daher mit Spannung und Vorfreude entgegen. Dass es außer ihrem Geburtstag noch einen anderen besonderen Anlass geben musste, war ihr in dem Augenblick klar gewesen, als Louise das Hotel Ritz als Treffpunkt nannte.
    Alette wusste, dass Louise immer schon Wert auf Stil gelegt hatte, auch als ihr Einkommen noch gering und ihre Klientel weit entfernt von den feineren Kreisen der Pariser Gesellschaft war. Von Louise hatte Alette jedoch gelernt, dass wahrer Stil rein gar nichts mit Reichtum zu tun hatte. Natürlich war es angenehm, über ein Vermögen zu verfügen, dass das Leben in den meisten Belangen erleichterte, aber teure Kleidung, protzige Autos oder imposante Häuser bedeuteten nicht automatisch, dass es sich bei den Besitzern um Menschen handelte, die sich durch ehrenhaften Charakter auszeichneten. Vielmehr hatten es Gutmenschen nicht nötig, sich hinter einer glänzenden Fassade zu verstecken, wohingegen Prunk und Pomp über fehlende Moral oder Unbarmherzigkeit problemlos hinweg täuschen konnten.
    Alette selbst hatte schon des Öfteren die Erfahrung gemacht, dass die wohlhabendsten ihrer Kunden mitunter diejenigen waren, die in ihr nicht mehr einen Menschen (und schon gar nicht eine Frau) sahen, sondern ein willfähriges Objekt, das gegen außergewöhnlich hohe Bezahlung für die maßlose Befriedigung perverser Wünsche und Begierden verantwortlich war. Nicht selten kam es zu körperlicher Gewalt, wenn die Erfüllung dieser Wünsche nicht den Phantasien des Kunden entsprach.
    Für Alette war ihre Arbeit in der Rue Loubert ein liebgewonnenes Hobby und sie musste sich auch nicht ihren Lebensunterhalt damit verdienen. Sie ging mit den Vorstellungen ihrer Liebhaber aufgeschlossen und freizügig um, ihre persönlichen Grenzen durften jedoch von niemandem überschritten werden. Nur ein einziges Mal hatte sie damit ernsthafte Probleme bekommen und wenn ihr Louise damals nicht zu Hilfe gekommen wäre – lautlos, ruhig und unkompliziert wie es ihrer Natur entsprach – wäre Alette entweder tot oder eine Mörderin. Alette empfand für all die Huren, die ihrer Arbeit unter erbärmlichsten Bedingungen nachgehen mussten und diese nur unter Drogen- oder Alkoholeinfluss ertrugen, größten Respekt, aber auch tiefstes Mitleid und eine zornige Verzweiflung. Verzweiflung deshalb, weil die meisten dieser Frauen keine Wahl hatten. Entweder wurden sie von kriminellen Zuhältern oder ihren eigenen Süchten gezwungen, das Geld für ihr Überleben durch Prostitution zu sichern. Diesen teuflischen Kreislauf zu durchbrechen, gelang kaum. Berichte in Zeitschriften, Kinofilme oder Dokumentationen im Fernsehen lieferten nur einen müden, meist auf Sensationslust und Effekthascherei ausgelegten Abklatsch der brutalen Wirklichkeit über das alltägliche Leben auf dem Straßenstrich oder in schmuddeligen Bordellen.
    Alette schob ihre trüben Gedanken zur Seite (merkwürdig, mit jedem Jahr wurden diese niederschmetternden Geistesblitze eindringlicher) und entfernte ihre

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