41 - Unter heisser Sonne
erlauben, doch nicht mehr; seid ihr dann noch nicht zum Aufbruch fertig, so schieße ich, erst ein Kamel, dann einen Mann, dann wieder ein Kamel und wieder einen Mann, bis ihr entweder fort oder alle erschossen seid, mitsamt euern Tieren.“
Er sah mir starr in das Gesicht; er hätte gern einen Zweifel oder eine Drohung ausgesprochen, wagte es aber nach dem Vorangegangenen nicht.
„Also geh, und melde es! Beim Barte eures Propheten, ich halte Wort!“
„Wir werden uns wehren!“ stieß er jetzt doch hervor.
„Und dabei untergehen! Du hast gesehen, wie schnell ich schieße. Ehe ihr herüber kämt, hätten meine Kugeln euch von der Erde weggefressen. Warne deine Tibbu ja, und sag ihnen, daß ich jeden von ihnen, der nur zehn Schritte von euren Zelten nach uns herüber macht, augenblicklich erschießen werde. Ihr habt nach der anderen Seite abzuziehen. Geh!“
„So kann ich nicht gehen“, wandte er ein.
„Warum nicht?“
„Weil meine Arme gebunden sind.“
„Nur aufstehen konntest du nicht, da ich dich aber aufgerichtet habe, kannst du trotz deiner Fesseln gehen!“
„Sollen meine Gefährten sehen, daß ich überwältigt und beschimpft worden bin!“
„Ja, das sollen sie; das ist deine Strafe. Wärest du höflich gewesen, so könntest du jetzt frei von hinnen gehen. Du hast diese Behandlung durch deinen ‚Giaur‘ und ‚Hund‘ verschuldet.“
Er zögerte noch.
„Marsch fort!“ befahl ich ihm und schob ihn zur Tür hinaus.
Er tat einige Schritte, wendete sich dann um und knirschte mir grimmig zu:
„Allah verderbe dich in die tiefste Dschehennah hinab!“ Hierauf setzte er seinen Weg wankenden Schrittes fort.
„Du wagst viel, Effendi!“ warnte mich der Scheik.
„Es ist hier von keinen Wagnissen die Rede.“
„O doch!“
„Inwiefern?“
„Wenn sie nun alle plötzlich herüberkommen!“
„Stehe ich nicht hier mit der Zauberbüchse in der Hand? Und wenn sie noch so rasch wären, meine Kugeln würden doch noch schneller sein. Du brauchst keine Sorge zu haben.“
„Bedenke, wie wütend Tahaf sein wird!“
„Seine Wut ist ohnmächtig; ich fürchte sie nicht.“
„Ja, wir fürchten weder ihn noch seine Wut“, stimmte Ali bei. „Wir sind groß und erhaben in allen Dingen. Wir kennen alle Wissenschaften und alle Dinge im Himmel und auf Erden und sogar alles, was sich unter der Erde befindet. Niemand kann uns widerstehen!“
Der Prahlhans! Mir war gar nicht so wohl zumute, wie ich mich stellte. Ja, ich fürchtete mich freilich nicht; ich wußte, daß ich mit Hilfe meines Henrystutzens mit allen diesen Tibbu fertig werden würde, wenn ich sie töten wollte; aber das wollte ich nicht. Ein Menschenleben zerstört man nicht so leichten Herzens. Wenn ich mich so kaltblütig stellte, so rechnete ich auf die Angst, die sie vor meinem Gewehr haben würden; das war meine ganze Überlegenheit.
Ich sah den Tedetu zu den Seinen treten, welche alle vor dem einen Zelt standen und die Flaschenkürbisse betrachteten. Sie staunten natürlich darüber, ihn in Fesseln kommen zu sehen. Er erzählte. Sie gestikulierten heftig und schrien dazu. Sie griffen nach ihren Waffen und schienen herüberkommen zu wollen. Da steckte ich den Lauf meines Gewehres zu dem Zelt hinaus; sie sahen das und blieben halten. Sie berieten und kamen zu keinem Ergebnis.
Entweder nahmen sie meine Drohung nicht ernst, weil sie den Stutzen doch noch nicht kannten, oder ihr Stolz sträubte sich dagegen, vor einem einzelnen Menschen davonzulaufen.
So vergingen fünf Minuten – zehn Minuten – eine Viertelstunde. Wenn ich meinen Zweck erreichen wollte, so durfte ich nicht schwach, nicht nachsichtig sein. Sie mußten erfahren, daß ich mein Wort hielt. Ein Kamel mußte zum Opfer fallen. Schade um das Tier, aber es ging nicht anders.
Ich zielte auf eines der Tiere und drückte ab; es brach augenblicklich zusammen. Ein vielstimmiger Wutschrei war die Antwort, doch machten sie noch immer keine Anstalt, die Zelte abzubrechen. Nun gut! Ich trat vor das Zelt und rief hinüber:
„Hört, ihr Söhne vom Tibbustamm! Ich habe gesprochen und werde nun handeln. Dieses Mal sei noch das Leben geschont, ich will nur verwunden, nicht töten. Beim nächsten Male aber gibt es keine Gnade. Meine Kugel trifft Tahaf in den rechten Ellbogen.“
Zugleich mit dem letzten Worte krachte ein Schuß. Tahaf zuckte zusammen und schrie laut auf. Die Kugel war ihm genau durch den Ellbogen gegangen. Im nächsten Augenblick war kein Tedetu mehr zu sehen.
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