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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ritt nach Barcelona; Sie waren bei dem Kastellan beschäftigt, und der Graf befand sich allein. Es kann jemand während dieser Zeit bei ihm gewesen sein. Das Gift ist ihm durch Schokolade beigebracht worden. Nun war mir zufällig ein Gegenmittel bekannt. Ich gab es ihm zwar noch nicht, aber die Vorkur wirkte bereits günstig. Man erkannte, daß ich den Wahnsinn heilen würde, und traf eine Vorkehrung, welche radikal wirkte: Man ließ Ihren Vater verschwinden.“
    „Oh, Sie glauben, daß er nicht selbst gegangen ist?“ fragte sie voll Angst.
    „Er konnte nicht gehen; er war zu schwach dazu.“
    „So hat man ihn getötet! O mein Gott, mein Gott!“
    „Man entfernte ihn, aber man tötete ihn nicht.“
    „Glauben Sie?“
    „Ich bin überzeugt davon.“
    „So lebt er noch?“ rief sie aufspringend.
    „Er lebt!“
    „Wo?“
    „Das weiß ich nicht; aber wir werden es erfahren. Hören Sie meine Gründe, Doña Rosa.“
    „O schnell, schnell, sagen Sie dieselben!“
    „Wenn der Graf nur verschwand, so konnte Ihr Bruder das Erbe nicht antreten; der Graf mußte also sterben. Der Tote da draußen aber ist der Graf nicht; folglich lebt Don Emanuel noch, und man hat ihm einen anderen untergeschoben, und dieser andere ist bereits seit vier Tagen eine Leiche gewesen.“
    „Das ist ja eine Reihenfolge von Verbrechen, die man ganz unglaublich finden muß! Sind Sie überzeugt, daß jene Leiche ein anderer ist, Señor?“
    „Ja. Hören Sie!“
    Er berichtete den Damen das ganze Ereignis in der Batería, und als er geendet hatte, gaben sie ihm vollständig recht.
    „Welch ein Trost, daß es der Vater nicht ist!“ rief Rosa. „Oh, nun bin ich wieder froh und stark. Ich weiß, wir werden dieses Komplott durchschauen und besiegen. Oder wollen Sie mich verlassen, Señor?“
    Er streckte ihr beide Hände entgegen.
    „Doña Rosa, mein Leben gehört Ihnen, und ich werde es der Aufgabe widmen, Ihren Vater aufzufinden!“
    Sie ergriff seine Hände, blickte ihm innig in die treuen Augen und lag im nächsten Augenblick an seiner Brust. Amy weinte vor Mitgefühl und Freude und sagte:
    „Ihr verdient es, einander zu gehören! Oh, könnte ich doch auch helfen, euch glücklich zu machen!“
    Sternau reichte ihr dankend die Hand und sagte langsam:
    „Miß Amy, Sie werden uns helfen, Sie werden unsere Schwester sein.“
    „Ja, die bin ich, ihr lieben, guten Menschen!“
    Er schüttelte lächelnd den Kopf und meinte:
    „Ich meine das Wort ‚Schwester‘ doch noch anders.“
    „Wie dann?“
    „Darf ich kühn sein und aufrichtig sprechen, Miß Amy?“
    „Ja. Reden Sie!“
    „Sie sollen unsere Schwester sein, indem Sie Gräfin de Rodriganda werden.“
    Die beiden Mädchen blickten erstaunt in sein männlich schönes Angesicht; dann sagte Amy:
    „Gräfin Rodriganda? Ich verstehe Sie nicht. Inwiefern?“
    „Indem Sie die Gemahlin des Grafen Alfonzo de Rodriganda von Sevilla werden.“
    Da bedeckte eine tiefe Glut das zarte Angesicht der Engländerin, und sie antwortete zurückweisend:
    „Sir, habe ich Ihnen eine Veranlassung zu dieser Behauptung gegeben?“
    „Ja“, antwortete er ruhig.
    „Wodurch?“ fragte sie, jetzt vor Zorn noch mehr erglühend.
    „Sie lieben ihn!“
    Da erhob sie sich.
    „Sir“, sagte sie im schärfsten Ton, „ich glaube nicht verdient zu haben, dies hören zu müssen.“
    „O doch, Miß Amy, denn diese Liebe ist Ihr größtes Glück und auch das seinige. Sie zürnen, aber Sie werden mir sofort vergeben, wenn ich Ihnen erkläre, daß der Graf Alfonzo de Rodriganda sich nicht hier befindet.“
    Sie hatte im Begriff gestanden, das Zimmer zu verlassen, jetzt aber blieb sie stehen und fragte:
    „Nicht hier? Wo sonst?“
    „Er ist zur See.“
    „Mein Gott, Sie sprechen in Rätseln!“
    „Sie haben ihn aber hier gesehen“, fuhr er unbeirrt fort.
    „Ich begreife Sie nicht!“
    „Und zwar als Husarenlieutenant.“
    Jetzt vermochte sie gar nicht zu antworten. Sie blickte ihn in größtem Erstaunen an, und auch Rosa schien vor Verwunderung keine Worte zu finden. Er aber erhob sich jetzt und fragte:
    „Meine Damen, glauben Sie, daß ein Sohn den Tod seines Vaters wünschen oder gar ihn wahnsinnig machen kann?“
    „Nein!“ antwortete Rosa.
    „Nun, Señor Alfonzo hat dies getan, er ist also gar nicht der Sohn Don Emanuels!“
    „Was – was sagen Sie da! Er nicht meines Vaters Sohn, nicht mein Bruder?“
    „Nein.“
    „Was sonst? Oh, welch ein Tag! Señor, ich stehe auf der Folter. Sprechen Sie,

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