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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sprechen Sie schnell!“
    „Er kann nicht der Sohn Don Emanuels sein, denn ich und Sie beide, wir haben den echten Alfonzo gesehen.“
    „Wann, wo?“
    „Hier. Doña Rosa, treten Sie in Ihre Bildergalerie und vergleichen Sie das Jugendporträt des Grafen Emanuel mit dem Lieutenant de Lautreville!“
    Jetzt kam die Reihe, zu erstaunen, auch an Miß Amy.
    „Alfred de Lautreville!“ rief sie. „Señor, was sagen Sie, was wissen Sie von ihm? Er gestand mir, daß auf seinem Leben ein Geheimnis liege, welches er erst aufklären müsse!“
    „Er hat Ihnen die Wahrheit gesagt. Er ist der richtige Graf Rodriganda, und der jetzige Alfonzo ist ein untergeschobener Betrüger. Darum mußte der Lieutenant verschwinden; daher hat man ihn geraubt und auf das Schiff geschafft.“
    „Geraubt!“ rief die Engländerin. Sie ballte die kleinen Fäuste und tat einen schnellen Schritt auf Sternau zu. Wie eine gereizte Löwin stand sie vor ihm, gar nicht das schöne, zarte Geschöpf, als welches er sie bis jetzt gesehen hatte. „Geraubt? Auf das Schiff geschafft?“ wiederholte sie. „Das soll man wagen! Ich werde sie alle vernichten! Alle, alle, alle!“
    Sternau nickte lächelnd und fragte:
    „Geben Sie nun zu, daß Sie den Grafen Alfonzo lieben, Miß Amy?“
    „Ja“, antwortete sie aufrichtig. „Ich liebe ihn; ich werde ihn suchen und finden. Und wehe denen, welche seine Feinde sind und unrecht an ihm handeln! Zwar hat mir mein Vater geschrieben, daß ich kommen soll; ich werde heute noch abreisen, bald, in einer Stunde bereits, aber ich werde doch zu handeln wissen. Erzählen Sie, Señor!“
    Er erzählte nun, wie er die Spuren weiterverfolgt und dann das ganze übrige in Erfahrung gebracht habe. Sie durchschauten die Machinationen, obgleich sie nichts genau beweisen konnten. Endlich mußten sie sich trennen, denn Amy war wirklich ganz plötzlich abberufen worden. Derselbe Briefträger, welcher dem Notar das Schreiben des Bankiers überbracht hatte, war auch der Überbringer eines Briefes von ihrem Vater gewesen. Sie versprach, ihrem Vater alles zu gestehen und für sich und die Freundin seine Hilfe zu erbitten. Dann nahm sie Abschied von dem Deutschen, dem sie ihre vollste und wärmste Freundschaft zusicherte.
    Kurze Zeit später fuhr sie mit Rosa, welche sie bis Pons begleitete, von Rodriganda fort; eine weitere Begleitung hatte sie sich verbeten.
    Diese Unterredung und dann die schleunige Abreise der Freundin waren schuld, daß weder Sternau noch Rosa sich nach der Leiche erkundigt hatten. Der erstere glaubte, daß der Alkalde ganz nach seiner Anordnung gehandelt habe, denn im Eifer des Gesprächs hatten sie gar nicht bemerkt, daß der Tote hereingebracht worden war.
    Jetzt nun saß Sternau in seinem Zimmer. Er wollte arbeiten, aber es ging nicht; er mußte immer und immer wieder an die letzten Ereignisse denken, und diese Gedanken beschäftigten ihn so sehr, daß er ein Klopfen an seiner Tür überhörte und auf dasselbe erst dann aufmerksam wurde, als es sich wiederholte.
    „Herein!“ rief er.
    Die Tür öffnete sich, und der Arzt wunderte sich, einen fremden Mann zu sehen, welcher es vergessen zu haben schien, sich vorher anmelden zu lassen.
    „Wer sind Sie?“ fragte er den Eingetretenen.
    „Sie sind Señor Sternau, der Arzt des Grafen Emanuel?“ fragte der Fremde anstatt der Antwort.
    „Ja.“
    „Die Gräfin Rosa de Rodriganda sendet mich.“
    „Oh! Wunderbar! Sie ist nach Pons.“
    „Allerdings. Sie ist bei mir eingekehrt und schickt mich, um Sie zu bitten, nachzukommen.“
    „Weshalb?“
    „Das sagte sie nicht. Es war noch eine Dame bei ihr.“
    „Das ist richtig. Sie sind ein Gastwirt?“
    „Ja.“
    „Wo?“
    „In Elbrida – zwischen hier und Manresa.“
    „Sie sind gefahren?“
    „Ja.“
    „Mit dem Geschirr der Gräfin?“
    „Nein. Sie wollte ihre Pferde nicht unnütz ermüden.“
    „Setzen Sie sich. Ich bin sogleich fertig!“
    Er war hier gewohnt worden, vorsichtig zu handeln; aber es konnte der Gräfin unterwegs ein Gedanke gekommen oder etwas begegnet sein, daß sie seine Gegenwart wünschte. Er legte also andere Kleider an, schloß seine Möbel zu und ging mit dem Fremden vor das Portal, wo eine zugemachte zweispännige Kutsche hielt. Sie stiegen ein und fuhren ab.
    Droben am Fenster stand der Advokat mit seinen beiden Verbündeten.
    „Er steigt ein!“ sagte er hohnlächelnd.
    „Jetzt geht es fort!“ bemerkte Alfonzo.
    „Er ist gefangen!“ fügte die fromme Schwester bei.

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