42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
Franzose und Offizier?“
„Fragt mich nicht nach ihm! Sein Leben war ein geheimnisvolles. Es wird sich einst aufklären, so Gott will.“
„Señor Sternau hielt ihn für den richtigen Grafen Alfonzo.“
„Ah, dieser Sternau muß ein außerordentlicher Mensch sein. Wer die Geheimnisse von Rodriganda aufklären will, der muß sich zunächst seiner Hilfe versichern. Er soll aufgefunden werden; ich werde ihn suchen!“
„Tut das, o tut das, frommer Vater!“ bat die Kastellanin. „Nur er allein kann der Contezza und uns anderen Hilfe bringen.“
„Ich werde mir alle Mühe geben. Kann man den Räuber sehen, welchen Señor Gasparino erschossen hat?“
„Ja. Er liegt unten im Gewölbe“, sagte Alimpo.
„Führt mich zu ihm!“
Die beiden Männer begaben sich hinab nach dem Gewölbe, in welchem der Tote lag. Der Kastellan stand eben im Begriff, die Tür zu öffnen, als Cortejo vorüberkam. Er blieb stehen und fragte:
„Was wollt ihr hier?“
„Dieser fromme Vater will den Räuber sehen“, entschuldigte sich Alimpo.
„Was hast du damit zu tun!“ rief der Notar zornig. „Du bist nicht mehr Kastellan; du darfst keinen Raum des Schlosses mehr betreten. Übrigens soll der Tote in Ruhe gelassen werden.“
„Entschuldigt, Señor“, sagte der Mönch in einem höflichen, aber sehr bestimmten Ton. „Ich bin ein Diener der heiligen Kirche und bitte Euch um die Erlaubnis, die Leiche sehen zu dürfen.“
„Was habt Ihr davon? Geht weiter!“
„Ich stehe hier an Stelle der heiligen Kirche; ich habe die letzte Verfügung eines Sterbenden zu erfüllen; ich verlange unbedingt, dieses Gewölbe betreten zu können!“
„Was? Ihr verlangt! Ihr wagt, hier gebieten zu wollen!“
Cortejo sagte diese Worte in einem drohenden Ton und trat einen Schritt näher heran.
„Ja, ich verlange!“ antwortete der Mönch ruhig. „Ihr seid Señor Cortejo?“
„Ja.“
„Nun gut; Ihr habt mir hier nichts zu befehlen; ich trete ein, ohne Euch zu befragen!“
Er öffnete die Tür und betrat das Gewölbe. Der Notar folgte. Das Gewölbe war leer, nur in der Mitte sah man einige schmutzige Bretter am Boden liegen, auf denselben die Leiche, welche nicht einmal zugedeckt worden war. Das unerschrockene Auftreten des Mönches hatte seinen Eindruck auf Cortejo nicht verfehlt. Letzterer betrachtete sich den Dominikaner mißtrauisch und fragte:
„Wer war der Sterbende, dessen letzte Verfügung Euch hierherführt?“
Der Pater deutete auf den Toten und sagte:
„Dieser hier!“
„Dieser? Pah! Ihr wart ja gar nicht bei ihm, als er starb.“
„Er war dennoch ein Sterbender, als er mit mir sprach, denn er ging in den Tod.“
„Ihr habt ihn gekannt?“
„Ja, ebensogut wie Ihr.“
„Ich?“ meinte der Notar besorgt. „Ich kannte diesen Menschen nie!“
„Lügt nicht!“ sagte der Pater. „Wollt Ihr leugnen, daß Ihr den Capitano gekannt habt?“
„Ein Capitano war er?“ fragte Cortejo lauernd.
„Verstellt Euch nicht! Ich bin ein Kind der Welt, aber Ihr werdet mich doch nicht täuschen. Dieser Tote mußte in Eurem Auftrag den Sohn des Grafen Rodriganda umtauschen lassen; er mußte den Arzt überfallen; er sollte den Lieutenant de Lautreville töten. Ihr habt ihn erschossen, um ihn unschädlich zu machen, aber an seiner Stelle stehen andere Zeugen gegen Euch auf. Gasparino Cortejo, du bist der größte Bösewicht, den ich kenne; triumphiere nicht zu früh! Der arme Pater Dominikaner wird für dich ein Gegner sein, den du nicht verschwinden lassen kannst! Noch ehe der Capitano dich aufsuchte, kam er zu mir. Er sagte mir, daß er dir nicht traue. Wenn er nicht zurückkehren werde, sollte ich mich erkundigen, ob ihm etwas geschehen sei. In diesem Fall übergab er mir die Rache. Ich werde ihn nicht rächen, denn die Rache ist des Herrn, aber ich werde die verborgenen Wege aufdecken, welche du gegangen bist. Lebe wohl, auf Wiedersehen!“
Er schob den Notar zur Seite, schritt aus dem Gewölbe und verließ das Schloß. Cortejo stand da, als ob er einen Schlag auf den Kopf erhalten habe. Seine Augen waren weit vorgetreten; die Adern seiner Stirn waren dick und angespannt; er blickte dem sich Entfernenden wie abwesend nach; dann aber raffte er sich zusammen und wandte sich an den Kastellan, der alles deutlich gehört hatte.
„Was wollt ihr noch hier? Fort!“ gebot er ihm.
Dieser Ton gab dem guten Alimpo einen ungewöhnlichen Mut.
„Señor“, sagte er, „ich werde mir alles genau merken, was ich jetzt mit angehört
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