Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Begeisterung.
    „Welch ein Gehalt!“
    „Wieviel?“ fragte er.
    „Fünfhundert Duros.“
    „Das ist allerdings bedeutend, ja, das ist sogar bedenkenerregend.“
    „Und zweihundert Duros extra.“
    „Der Tausend! Ist's wahr?“
    „Natürlich“, jubelte sie.
    Er hätte sie am liebsten umarmen mögen, so schön stand sie in ihrem Glück vor ihm, aber er zwang sich, kalt zu bleiben; er wollte für sie denken und vorsichtig sein.
    „Das ist ja überraschend; das ist ganz außerordentlich. Bei wem ist die Stelle?“
    „Bei einem Herzog!“
    „Ah. Das ist etwas anderes. Das wäre allerdings ein ungeahntes Glück für Sie. Welcher Herzog ist es, Fräulein Wilhelmi?“
    „Der Herzog von Olsunna.“
    „Der sein Palais hier in der Stadt hat?“
    „Ja.“
    Der Erzieher hatte auf einmal seine Miene vollständig geändert.
    „Waren Sie dort?“ fragte er.
    „Ja.“
    „Haben Sie den Herzog selbst gesprochen?“
    „Nein.“
    „Wen sonst?“
    „Seinen Haushofmeister.“
    „Hm!“
    „Was haben Sie? Warum sind Sie auf einmal so ernst?“
    „Fräulein Wilhelmi, es gibt Dinge, über welche man am liebsten schweigt, die man aber doch zur Sprache bringen muß, wenn die Lage dazu zwingt.“
    „Was haben Sie? Wozu diese ernste Einleitung?“
    „Glauben Sie, daß ich es gut mit Ihnen meine?“
    „Ich bin davon überzeugt.“
    „Nun wohl, so werde ich aufrichtig mit Ihnen sprechen. Haben Sie den Herzog einmal gesehen?“
    „Nein.“
    „Ich sah ihn einige Male. Er ist von langer, starker, kraftstrotzender Gestalt.“
    „Nun?“ fragte sie.
    Sie konnte sich nicht denken, wozu diese Personalbeschreibung dienen sollte. Sternau fuhr fort:
    „Er trägt einen starken blonden Vollbart.“
    „Aber, Herr Sternau, warum sagen Sie mir das? Ich werde das alles ja selbst sehen.“
    Der Deutsche fuhr unbeirrt fort:
    „Ich war kürzlich bei einem Juwelier, um mir eine kleine Reparatur zu bestellen. Dort sah ich eine wundervolle Garnitur von Steinen. Ihr hoher Wert fiel mir auf, und ich fragte nach dem Besitzer.“
    „Sie gehören wohl dem Herzog, wie ich errate?“
    „Allerdings.“
    „Aber was hat dies mit meiner Anstellung zu tun?“
    „Unter Umständen sehr viel. Die Steine waren neu gefaßt worden, und diese Fassung war eine so eigentümliche und fremdartige, daß man sie später auf alle Fälle wiedererkennen mußte. Ich habe diese Steine auch bald darauf wiedergesehen.“
    „Wo?“ fragte die Gouvernante.
    „In Ihrem Zimmer.“
    „Sie scherzen.“
    „Ich spreche sehr im Ernst.“
    „Wie soll eine so kostbare Garnitur von edlen Steinen in mein armes Zimmer kommen?“
    „Ich sah sie an dem Gewand des Persers, den ich zur Treppe hinabwarf.“
    Da erschrak die Gouvernante. Es wurde ihr klar, welchen Zweck diese Erzählung hatte.
    „Sie irren sich wohl?“
    „Nein. Auch der Perser war hoch und stark gebaut. Er hatte die Larve bis zum Mund emporgeschoben, und so bemerkte ich, daß er einen starken blonden Vollbart trug.“
    Jetzt erschrak sie wirklich, denn sie hatte diesen Bart ja deutlich genug gesehen und gefühlt, als der Perser sie küßte.
    „Und sie denken –?“ stotterte sie.
    „Daß jener unverschämte Eindringling kein anderer war als der Herzog von Olsunna.“
    „Unmöglich!“
    „Bei mir steht es außer allem Zweifel.“
    „Aber warum mich dann als Erzieherin engagieren?“
    „Ich überlasse es Ihnen, darüber nachzudenken. Am ersten Tag lernt man eine Dame kennen; am zweiten überlegt man es sich, wie sie zu gewinnen ist, und trägt die Annonce in die Zeitungsexpedition; am dritten wird sie von ihr gelesen und beantwortet; am vierten wird sie unter Bedingungen engagiert, die so glänzend sind, daß sie Verdacht erregen müssen, und am fünften tritt die Dame ihre Stellung an. Oder sollte ich mich hierin irren?“
    „Nein. Sie raten richtig.“
    „Sie treten morgen an?“
    „Ja.“
    „Nun, da haben Sie den rapiden Verlauf des Abenteuers vor Augen. Ich habe nicht das Recht, Ihnen einen Rat zu erteilen, aber ich habe die Pflicht, zu warnen, und das tue ich hiermit.“
    „Der Herzog ist ja gar nicht da. Er ist verreist!“
    „So!“
    „Ich kann unmöglich glauben, daß eine fürstliche Persönlichkeit das einzige Kind einer Person anvertraut, die man nur engagiert, um –“
    Sie stockte errötend und fuhr nicht weiter fort. Da klopfte es an die Tür, und es trat der Diener herein, welchen sie bereits zweimal gesehen hatte. Er verbeugte sich vor den beiden mit ausgesuchter Höflichkeit

Weitere Kostenlose Bücher