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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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am aufmerksamsten beobachten sollst. Ich möchte gern genau wissen, wie er zu den Gliedern der gräflichen Familie steht. Dann ist da der junge Graf Alfonzo, der in Mexiko gewesen ist. Siehe einmal zu, wie er sich gegen den Grafen und dessen Geschäftsführer verhält. Es ist mir besonders angelegen, zu wissen, ob er diesem letzteren vielleicht ähnlich sieht. Gehe und mache dich fertig. Das Geld, welches du brauchst, werde ich dir mit dem Paß einhändigen. Du mußt fein auftreten und als ein wohlhabender Offizier gelten; darum wird die Summe nicht unbedeutend sein. Ich werde dafür sorgen, daß du einen tüchtigen Mann als Diener erhältst, den du als Bote verwendest, wenn du mich etwas wissen lassen mußt.“
    Mariano ging. Es war ihm noch niemals ein Auftrag so willkommen gewesen wie der gegenwärtige, und er hatte ganz das Gefühl, als ob er sich an dem Eingang neuer und wichtiger Ereignisse befinde.
    An dem Ort, von welchem hier die Rede war, nämlich Schloß Rodriganda, herrschte heute eine tiefe Stille. Der Graf hatte befohlen, daß sich jedermann der möglichsten Ruhe befleißigen sollte, da er sich sehr angegriffen fühle.
    Niemand befolgte diesen Befehl so genau wie der alte Kastellan Juan Alimpo. Er schlich auf den Fußzehen wie eine Katze die Treppen auf und ab, er huschte unhörbar wie ein Schatten über die Korridore, und selbst in seiner Wohnung, welche von der des Grafen so entfernt lag, daß selbst der größte Lärm nicht zu dem Gebieter hätte dringen können, schwebte er so lautlos hin und her, als verstehe er die Kunst, den Boden nicht zu berühren.
    Dieser großen Kunst befleißigte sich auch seine Gattin Elvira, aber mit nicht so großem Erfolg. Denn während der Kastellan ein sehr kleines und dürres Männlein war, besaß Frau Elvira eine geradezu erstaunliche Körperfülle. Ihr Umfang war wohl ebenso groß wie ihre Höhe, und sie, allein auf einer Waagschale, hätte sicher fünf Alimpos in die Höhe geschnellt. Ihr Vollmondgesicht glänzte vor Zufriedenheit; ihr Auge lachte vor Güte; ihr Mund war stets zu einem guten Wort bereit, und da ihr teurer Juan trotz aller körperlichen Verschiedenheit ganz dieselben besaß, so lebten sie wie Tauber und Täubchen, und es hatte noch kein Mensch ein einziges schroffes Wort gehört, welches zwischen ihnen gefallen wäre.
    Jetzt eben war der Kastellan mit der Zusammensetzung eines kostbaren Schreibzeugs beschäftigt, und seine Ehefrau besserte die aufgedrehte Troddel eines prächtigen Teppichs aus. Dabei unterhielten sie sich so leise, als ob der kranke Graf sich in ihrer unmittelbaren Nähe befinde.
    „Was meinst du wohl, Elvira, ob dieses Schreibzeug ihm gefallen wird?“ fragte der Kastellan.
    „Sehr gut! Und was meinst du wohl, Alimpo, was er zu diesem Teppich sagen wird?“
    „Sehr schön, wird er sagen!“
    „Ja, wir suchen für ihn das Beste hervor!“
    „Er ist's auch wert, meine Elvira!“
    „Natürlich! Er ist so gut!“
    „So bescheiden!“
    „So klug und gelehrt!“
    „Und so schön, Alimpo!“
    „Das mag wohl sein. Euch Frauen fällt das gleich auf, ich aber verstehe mich darauf nicht. Aber das weiß ich, daß ich ihn lieb habe und doch zugleich einen gewaltigen Respekt vor ihm empfinde. Nicht, Elvira?“
    „Ja. Mir geht es ebenso. Ich möchte ihm alles an den Augen ablesen, und doch kommt er mir so hoch, so stolz und vornehm vor, als ob er ein Graf, ein Prinz oder gar ein Herzog sei.“
    „Der gnädige Herr hat ihn auch gar lieb.“
    „Ebenso die gnädige Contezza. Aber die anderen, diese Ärzte, o Alimpo, die gefallen mir gar nicht.“
    „Mir noch weniger. Ich wünsche keinem Menschen, daß ihn der Teufel holen möge, diese drei Kerls aber könnte er immer einmal holen. Meinst du nicht auch, Elvira?“
    „Ja, er könnte sie immer holen! Sie hätten den gnädigen Herrn totgemacht, wenn unser Señor nicht dazugekommen wäre; darauf kannst du dich verlassen, Alimpo!“
    „Und was meinst du zu dem jungen Herrn, Elvira?“
    „Hm, da muß man vorsichtig sein! Was meinst denn du?“
    „Ja, da muß man sehr vorsichtig sein. Ich meine – hm, ich meine –“
    „Nun du meinst – – –?“
    „Ich meine, daß ihn – daß ihn – – daß ihn der – – –“
    „Nun, was denn? Daß ihn der – – –“
    „Daß ihn – daß ihn der – – daß ihn der Teu – – –“
    „Nun, Alimpo, rede doch! Warum stockst du denn? Fürchtest du dich vor mir?“
    „Nein, gar nicht. Aber man muß da sehr vorsichtig

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