43 - Der Triumph von Scorpio
zuschauen, wie eine Katze einer Maus.
»Majestrix«, sagte Sasha, »dieser Streit ist völlig unnötig. Schließlich hat Trylon Ge-fu befohlen, daß man Drajak entführt und an die Anhänger der Trommel verkauft. Das war nicht sehr nett.«
Inch wandte seine hohe, schlanke Gestalt seiner Gattin zu. Er nickte, enthielt sich jedoch jeden Kommentars.
»Ich tue, was ich für richtig halte!« brüllte Schian.
Licria leckte sich die Lippen. Sie blickte verstohlen zur Königin hinüber. Sie war eine durchtriebene Hexe und kannte die Launen ihrer Großmutter. Sie sah, aus welcher Richtung der Wind wehte.
Prinzessin Licria war zweifellos ein schönes Mädchen; sie hatte ein blasses Gesicht und dunkelrotes, lohisches Haar, das ihr V-förmig in die Stirn wuchs. Meiner Meinung nach konnte man sie durchaus zu den Jikai-Vuvushis zählen. Musterte man sie jedoch genau, wurde deutlich, daß ihre Schönheit sich nur auf ihr Äußeres beschränkte. Es war nichts als Maske. Ihre dunklen, funkelnden Augen verrieten, wie sie zur Königin stand. O ja, die kleine Prinzessin Licria wollte Königin der Schmerzen und Herrscherin über Loh werden, und sie würde über Leichen gehen, um sich diesen Herzenswunsch zu erfüllen.
»Vielleicht können die Männer diese Frage klären, wenn wir die Oberfläche erreichen«, sagte sie, »und die Vallianer als die Lügner entlarven, die sie sind.«
Königin Satra griff nach einer reifen Pflaume, biß hinein und sagte nichts. Sie nickte kaum merklich.
Delia holte unbewegt Luft. »Wenn wir die Oberfläche erreichen, werdet Ihr sehen, daß unsere Geschichte der Wahrheit entspricht. Ich kann gut verstehen, daß Ihr sie jetzt nicht glauben könnt.«
»Wenn wir Hamal erobert haben und uns der Rest Havilfars gehört, werden wir gegen Vallia marschieren«, fauchte Schian aufgebracht.
Seg, der schweigsam und müßig mit einem Stück Brot gespielt hatte, hob es zum Mund. Er und ich verschwenden nie Nahrung. Bevor er aß, sagte er schneidend: »Ihr werdet übers Meer marschieren müssen, um dann den hamalischen Flugbooten und vallianischen Galeonen gegenüberzustehen.«
»Wir verfügen über ganze Flotten«, keifte Licria.
»Ja, aber ich habe es Euch doch erzählt«, sagte Milsi fröhlich. »Die hamalischen Flugboote haben Eure Schiffe vernichtet. Sie ...«
»Wir verfügen über viele Zauberer und Hexen der verschiedensten Glaubensrichtungen. Niemand kann der Macht ihres Kharma widerstehen.«
»Und doch haben sie versagt, Majestrix«, erwiderte Milsi in ihrer beherrschten und würdevollen Art. »Fragt mich nicht, warum. In den Geschichtsbüchern steht lediglich, daß die Hamalier die lohischen Armaden zusammengetrieben und vernichtet haben.«
»Unfug!« fauchte Schian, dessen Gesicht noch immer knallrot war.
Die Königin richtete ihren Blick gemächlich auf Milsi, die sie ins Herz geschlossen hatte. Vielleicht lag es daran, daß Milsi, als Seg und ich sie kennengelernt hatten, in physischer Hinsicht etwas älter gewesen war als wir. Wir hatten im Wasser des heiligen Taufteichs im fernen Aphrasöe gebadet. Dies hatte unseren Alterungsprozeß aufgehalten. Seitdem waren viele Jahre ins Land gezogen. Wir waren zwar alle erwachsener – sogar der brüllende, verrückte, verkommene Dray Prescot hatte in seinem dicken Voskschädel etwas Verstand entwickelt –, aber noch jung. Milsi war die würdevolle, reife Dame unter uns, und zu unserer Freude eignete sie sich unsere draufgängerische Art an.
»Es wäre interessant«, sagte Königin Satra absichtlich leise und in einem herausfordernden, aufreizenden Tonfall, »wenn wir genau wüßten, warum unsere Zauberer und Hexen versagt haben. Warum eigentlich die verabscheuungswürdigen Hamalier gewonnen haben. Dann ...«
Licria wußte, wann man sich einschmeicheln muß. »Natürlich, Großmutter! Wie klug! Dann könnten wir Maßnahmen ergreifen und es verhindern.« Sie lachte. Es war ein metallisches Lachen, von tiefster Bösartigkeit. »Natürlich nur, falls dieser Unsinn stimmt.«
»Wenn du mich schon unterbrechen mußt, Kind, dann bitte nicht in Gegenwart anderer.«
Licria hielt verblüfft den Mund.
Satra fuhr fort. »Was meinst du dazu, Milsi?«
»Eine Frage für die Philosophen! Kann man die Zukunft verändern?«
»Lohs Zukunft steht fest«, fauchte Schian. »Wir werden ganz Paz beherrschen. Das ist unser vorherbestimmtes Schicksal.«
»Bei Krun!« murmelte ich in den Bart. »Wie man in Clishdrin so sagt.«
Da marschierte schneidig eine Wache herein,
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