43 - Der Triumph von Scorpio
Linien, tötet den Gegner, und plündert. Ich war nicht zufällig an diesem Ort, sondern aus einem bestimmten Grund, und mir war klar, daß ich mein Ziel verfehlen würde, wenn ich mich von den anderen mitreißen ließ. Zwar ist es in Ordnung, wenn man der leitenden Hand des Schicksals vertraut, doch gelegentlich muß man ein paar harte Schläge austeilen, damit man nicht vom Angriff mitgerissen wird.
Mein Herz tat einen Sprung, als ich eine lange, gepanzerte Gestalt tot am Boden hingestreckt sah. Doch die unwillkürliche Schrecksekunde war natürlich nicht angebracht; Inch war nicht hier. Es war also nicht erforderlich, den Toten umzudrehen. Eine Gruppe Ng'groganer hatte sich dem Heer angeschlossen. Ng'groga lag ein Stück die Küste hoch, nicht weit entfernt. Ich lief weiter.
Hinter den Stadtmauern erstreckte sich ein Straßenlabyrinth. Die Burg lag linker Hand. Die siegreichen Belagerer verteilten sich, jagten dem fliehenden Gegner hinterher und suchten nach Beute.
Die hemmungslose Plünderung einer Stadt ist kein schöner Anblick. Damit wollte ich nichts zu tun haben, deswegen sah ich mich um. Rees und Chido befolgten ihre Befehle und liefen auf das innere Burgtor zu. Die restlichen Angehörigen unserer Abteilung zögerten sichtlich, als sie sich zwischen Plünderung und Pflicht entscheiden mußten, doch Rees achtete stets auf strenge Disziplin. Allerdings war ihnen wohl der Gedanke gekommen, daß in Burg Samral wertvollere Schätze warteten. Ich vermutete, daß sich auch mein Ziel dort befand.
Unsere Flieger hatten ihre Arbeit getan und einen überraschend zuschlagenden Stoßtrupp abgesetzt. Wir kamen gerade noch rechtzeitig zum inneren Burgtor, um mitanzusehen, wie der Widerstand des Gegners brach und unsere siegreichen Chuliks weiterstürmten.
Wir betraten die Burg.
Man konnte sie keinesfalls zu den großartigen und wunderbaren Burgen rechnen, wie sie auf Kregen zahlreich vorhanden sind. Die grauen Steinmauern umschlossen einen beträchtlichen Raum; das Dach bestand aus Holz und Steinplatten, und zweifellos gab es im Inneren ein Labyrinth aus Räumen und Korridoren. Trotzdem fand ich Burg Samral wenig beeindruckend.
Es liegt in der Natur eines schlecht organisierten Angriffs, daß die Truppen sich aufteilen und die ursprünglich beeindruckende Masse an Kämpfern dahinschwindet, bis ein oder zwei Männer allein vorstoßen und nur noch wenig Kontakt zu ihren Kameraden haben. Wir kamen zu einem Innenhof, der urplötzlich einen bedrohlichen Eindruck machte. Die Ostmauer wurde vollständig von tiefen Schatten eingehüllt, und die gegenüberliegende Westmauer funkelte in grünem und rotem Licht.
Der neben mir stehende Horvil ham Vaherne stieß ein überraschtes Grunzen aus. Ich hielt mich nicht damit auf, ihm einen Blick zuzuwerfen, sondern warf mich sofort in die Schatten des Tores zurück, durch das wir gerade gekommen waren. Der nächste Pfeil prallte an der Mauer ab, der dritte traf klirrend auf die Steinplatten, wo sich eben noch mein Fuß befunden hatte.
Vaherne brach zusammen. Der lohische Pfeil, der über dem Rand der Rüstung in seinem Hals steckte, brach ab, als er aufs Gesicht fiel und auf die Seite rollte. Plötzlich war der Angriff auf Burg Samral zu einer häßlichen Privatangelegenheit geworden.
»Der arme Horvil«, sagte Chido hinter mir. »Als er sich uns anschloß, hat das Glück ihn verlassen.«
»Wir werden den offenen Hof nicht überqueren«, sagte ich. »Wo ist eine Tür?«
Wir fanden sie in einer Tornische. Es war eine schmale Tür, hinter der sich eine nach oben führende Wendeltreppe verbarg. Chido wurde von den Zwillingen Orgren und Nath Fernon begleitet, zwei stämmigen, mit Waffen beladenen Rapas. Ihre grauen Federn sträubten sich, und Naths Schnabel war durch eine alte Verwundung schief geblieben. »Hoch mit euch!« befahl Chido schneidend.
Sie gingen mit erhobenen Schilden durchaus willig voraus. Chido warf mir einen Blick zu.
Ich schloß mich ihnen an, doch nicht ohne vorher eine dumme Frage zu stellen.
»Wo ist Rees?«
»Das weiß nur Opaz. Er stürmte brüllend los ...«
»Ihm wird schon nichts passiert sein.«
Wir stiegen in die Höhe und stießen auf einen langen Korridor, der um den unten liegenden Hof herumführte und schmale Fenster aufwies. Anscheinend hatten die Erbauer der Burg von vornherein geplant, sich an diesem Ort zu verbarrikadieren und mögliche Angreifer abzuwehren. Doch die Verteidiger hatten ihn schon aufgegeben und sich auf die
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