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43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas

43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas

Titel: 43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Arzt!“
    „Ach so, dann ist ja alles in Ordnung. Befehlen Sie also, daß ich abwärts fahre?“
    „Ich bitte darum.“
    Der Mann war ein Seinematrose. Während die Leute am Ufer auf die Befriedigung ihrer Neugierde warteten, lenkte er das Boot nach der Mitte des Stromarmes und ließ es dort abwärts treiben. Unterdessen beschäftigte sich Sternau mit der Untersuchung der Geretteten.
    „Ist sie tot?“ fragte der Matrose.
    „Nein. Sie lebt; sie ist nur ohnmächtig.“
    „Gott sei Dank! Das arme Kind hätte mir leid getan.“
    „Wissen Sie nicht abwärts ein Haus, wohin wir es tragen könnten?“
    „Ich weiß eines, mein Herr“, erwiderte der Matrose. „Da links am Quai Conti, gleich am Anfang der Straße Guénégaud wohnt unsere Mutter Merveille, die sicher ein kleines Stübchen zur Verfügung hat.“
    „Wer ist diese Mutter Merveille?“
    „Sie hat einen Kaffeeschank für ärmere Leute und ist eine sehr gute und anständige Frau.“
    „So führen Sie uns zu ihr.“
    Der Matrose lenkte nun nach dem linken Ufer des Flusses, wo er sein Boot befestigte. Sternau nahm das Mädchen auf den Arm und ließ sich von dem Mann führen.
    Sie traten in ein Haus in der angegebenen Straße. Eine Parterrehälfte desselben wurde von dem Kaffeelokal eingenommen. Der Matrose bat den Arzt, einen Augenblick zu warten, und ging in die Küche. Bald trat die Wirtin heraus, einen Schlüssel und ein Licht in den Händen.
    „Mein Gott!“ sagte sie. „Ist es möglich! Eine Ertrunkene!“
    „Nein, sie lebt noch, Madame“, erwiderte Sternau. „Haben Sie nicht ein Bett übrig?“
    „Gern, sehr gern, mein Herr!“ versetzte sie mit der eifrigsten Bereitwilligkeit. „Kommen Sie nach hinten; dort ist das Schlafzimmer meiner Tochter.“
    Der Matrose wollte sich anschließen, wurde aber von Mutter Merveille abgewiesen.
    „Bleib, Gardon“, sagte sie. „Wir sind genug, der Herr Doktor und ich; deine Gesellschaft ist bei einer kranken Dame ganz überflüssig.“
    Sternau hatte seine Gerettete noch gar nicht genauer betrachtet. Jetzt, als er sie in dem kleinen Zimmer zunächst auf das Sofa legte, damit sie von der Wirtin entkleidet werde, konnte er ihre Züge deutlich erkennen.
    „Wie schön!“ sagte Mutter Merveille. „Gebe Gott, daß sie wirklich lebt.“
    „Sie lebt; sie wird genesen“, versicherte er, ergriffen von dem Ausdruck der sanften, bleichen Züge. „Legen Sie sie in das Bett.“
    „Was mag sie veranlaßt haben, in das Wasser zu springen?“
    Diese Frage wurde im Ton innigster Teilnahme, aber nicht in dem der Neugierde ausgesprochen.
    „Ich vermute es“, sagte Sternau. „Vielleicht ist sie vom Vater ihres Kindes verlassen worden.“
    „Ah“, sagte die Wirtin mit einem verständnisvollen Nicken. „Sie vermuten –? Hm, Sie sind Arzt; Sie werden das wissen. Armes Kind! Was ist jetzt zu tun?“
    „Sorgen Sie für eine Tasse Fliedertee. Ich werde bei ihr bleiben.“
    „Aber, Monsieur, Sie sind ja durch und durch naß. Wo haben Sie Ihren Rock?“
    „Ah, daran denke ich jetzt erst! Wie heißt der Matrose, der mich zu Ihnen brachte?“
    „Gardon.“
    „Senden Sie ihn nach dem Pont au Change, von welchem ich in den Fluß sprang. Dort warf ich Rock und Hut ab. Die Uhr und das Portemonnaie steckte ich in eine Tasche des Rockes. Ich vermute, daß man diese Sachen respektiert hat.“
    „Sicher. Er soll eilen.“
    Die Frau ging, und noch war sie kaum eine Minute fort, so begann das Gesicht der Geretteten sich zu röten. Ihre Hände bewegten sich, sie öffnete auch bald die Augen und blickte zunächst verwundert um sich.
    „Was ist's?“ fragte sie leise. „Wo bin ich?“
    „Sie sind bei guten Leuten, Mademoiselle“, antwortete Sternau. „Wie befinden Sie sich?“
    „Ich? Mich?“ fragte sie langsam und sinnend.
    Dann schien ihr das Geschehene einzufallen. Sie verbarg das Gesicht in den Händen und weinte. Er ließ sie gewähren und saß bei ihr, ohne ein Wort zu sagen.
    „Oh, warum bin ich nicht tot!“ sagte sie endlich.
    „Ist es Ihnen so leicht geworden, in den Tod zu gehen?“ fragte er in mildem Ton.
    Sie sah ihn mit großen, erschrockenen Augen an.
    „Leicht? Oh, schwer, so schwer!“
    „Und dennoch taten Sie es!“
    Wieder legte sie ihr Gesicht in die Hände, um in ein erschütterndes Schluchzen auszubrechen.
    „O Monsieur, hätten Sie mich doch sterben lassen!“ sagte sie.
    „Der Mensch soll erst sterben, wenn Gott ihn ruft. Und Sie, wissen Sie nicht, daß Sie im Begriff standen, nicht nur sich

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