44 - Die Intrige von Antares
sprang sie geschmeidig auf die graue Zorca, die ich mir ausgesucht hatte, und griff nach den Zügeln.
»Komm schon, Drajak der Schnelle. Worauf wartest du denn noch?«
Sie zog den Kopf der Zorca zur Seite und trabte auf die Straße. Notgedrungen suchte ich mir schnell ein anderes vernünftig aussehendes Tier aus und saß auf. Als ich es antrieb, folgten uns die anderen Zorca.
Resigniert ritt ich hinter Tiri her; dabei fühlte ich mich wie jemand, der sich in einem Wirbelsturm wiederfand, wo er doch nur einen sanften Windhauch erwartet hatte.
Mit was für einer temperamentvollen jungen Dame hatte ich es wohl diesmal zu tun?
6
Tiri sprach kein Wort, als wir unsere Tiere gemächlich nach Bharang traben ließen. Sie ließ den Kopf hängen. Ihr schlanker Körper zitterte. Hin und wieder stöhnte sie. In Gedanken durchlebte sie wieder und wieder den Alptraum, den sie durchgemacht hatte. Ich konnte nichts tun; das mußte sie allein durchstehen.
»Warum?« fragte sie, und das Wort verriet den in ihrem Inneren brennenden Schmerz. »Warum bin ich verschont worden? Warum darf ich leben, wenn alle meine Freundinnen sterben mußten? Und warum ist es geschehen?«
Was nun diese letzte Frage anging, wußte sie vermutlich viel mehr über die Gründe des Attentats als ich.
Als wir an sauber bestellten Feldern vorbeiritten und uns den ersten Gebäuden Bharangs näherten, hatte sie sich wieder einigermaßen im Griff. Sie saß aufrecht im Sattel, und das Licht der Sonnen liebkoste die langen, schlanken und gebräunten Tänzerinnenbeine. Eine Sache bereitete mir Sorgen. Hatte ich etwas versäumt, weil Tiri zugesehen und sich dann eine bestimmte Meinung gebildet hätte? Ich bin ein erfahrener Söldner, ein Zhan-Paktun, und jeder Paktun, der auch nur etwas taugt, hätte nach einem Kampf wie dem Gemetzel an der Kutsche die Besitztümer der Toten durchsucht.
Ich hatte darauf verzichtet. Mir war klar, daß das sehr nachlässig gewesen war. Mit Ausnahme der Fälle, wo die Habe eines in der Schlacht Gefallenen an die nächsten Angehörigen übergeben wird, gehört die Beute dem Sieger, was allgemein akzeptiert wird. Wenn meine Zeit gekommen ist, dann soll Delia bestimmte Gegenstände erhalten. Der Rest gehört dem Sieger.
Auf jeden Fall hatte ich kein Geld, mit dem Tiri und ich in Bharang leben konnten. Nun ja, vielleicht konnte ich eine der Zorca verkaufen. Ich muß zugeben, daß ich mich der Sünde des Stolzes schuldig gemacht hatte, denn ich hatte mich schon darauf gefreut, Fweygos Gesicht zu sehen, wenn ich mit einer Remuda erstklassiger Zorcas im Schlepptau ankam.
Als wir noch etwa hundert Schritt von den Stadttoren entfernt waren, schaute ich auf und sah einen prächtigen rotgoldenen Vogel, der über meinem Kopf kreiste. Er hatte die großen Schwingen ausgebreitete und zog dort oben mühelos seine Kreise. Ich kannte ihn. Es war der Gdoinye, der Spion und Bote der Herren der Sterne. Er beobachtete mich mit seinen scharfen, runden Augen.
Tiri ritt einfach weiter, denn sie konnte ihn nicht sehen.
Ich wartete ab. Der Raubvogel stieg in die Höhe und verschwand im strahlenden Himmel Kregens. Er hatte kein verächtliches oder mahnendes Krächzen ausgestoßen. Das gab mir neuen Mut. Also erfüllte ich meine derzeitige Aufgabe zur Zufriedenheit der Everoinye. Bei den wurmzerfressenen Nasenlöchern der Heiligen Dame von Belschutz, wäre das nicht der Fall gewesen, hätte mich der Skorpion in die geheimnisvolle blaue Strahlung stürzen lassen und mich an den Ort versetzt, an dem ich hätte sein sollen, bei Krun!
Die Stadtmauern schienen in gutem Zustand zu sein, und die Speere und Helme der Wachen waren deutlich hinter den Zinnen zu sehen. Innerhalb der Stadt erhoben sich hohe, zwiebelförmige Türme, und durch das offene Tor war eine bunte Vielfalt von Mauern und Dächern zu sehen. Eine Karawane Calsanys kam uns entgegen; jedes der Packtiere war mit prall gefüllten gelben Tragekörben behängt. Die Eskorte war beeindruckend, sowohl was die Zahl als auch das Erscheinungsbild anging. Ich zog die Zorcas zur Seite, um die Karawane vorbeizulassen.
Die Torwachen widmeten Tiri, den Zorcas und mir einen flüchtigen Blick und sagten nichts, als wir die Stadt betraten.
Es war früher Nachmittag, und vor Einbruch der Nacht gab es dringende Angelegenheiten zu erledigen.
Bharangs Gerüche waren nicht widerwärtig; die Gerüche von Tieren, Staub und Schweiß, die sich zwischen den dicht nebeneinanderstehenden Häusern miteinander
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