44 - Die Intrige von Antares
Tafnu: »Ich werde nicht lange fort sein, bestell das bitte dem Kildoi. Eine Angelegenheit von äußerster Dringlichkeit.« Tafnu verneigte sich, und Nalgre und ich eilten durch die Gänge auf die Eingangshalle zu. Hier gab ihm die diensthabende Wache seine Waffen zurück. Ein Dolch wurde weggesteckt; diese Waffe ist auf Kregen fast schon ein fester Bestandteil der Kleidung. Dann folgte eine klotzige, kurzschäftige Axt. Er besaß auch eines jener Schwerter, die man Slikker nennt und deren Klingenlänge zwischen Braxter und Kurzschwert rangiert. Sie werden gern gekauft, wenn Stahl übermäßig teuer ist. Der Tag war warm, also verzichtete ich auf einen Umhang oder ein Cape. Nalgre sagte kein Wort, bis wir den Palast verlassen hatten und den Kyro der Parfumhändler eilig überquerten. Mabal und Matol, die Zwillingssonnen von Scorpio, verbreiteten ihr strahlendes jadegrünes und rubinrotes Licht auf den Steinplatten und ließen die kuppelförmigen Dächer und Simse glitzern.
»Lingurd wurde aufgeschlitzt, und Roidon der Riscus hat ein paar Federn verloren und den Schnabel eingedellt bekommen. Man sollte Trako Eisenbauch, diesen vom Teufel gezeugten Kataki, mit abgeschlagenem Schwanz zu den Eisgletschern von Sicce schicken.«
Wir gingen die Fernown Straße entlang, bogen nach rechts ab und kamen so aus der entgegengesetzten Richtung zu der Seilbahnhaltestelle. Dort warteten ein paar Leute, und als der nächste Calimer anlegte, gab es keine Probleme. Wir zahlten unseren Kupfer-Ob für die Fahrt und schaukelten zum nächsten Hügel. Schließlich gelangten wir zu Sturgies Hügel. Dort führte mich Nalgre durch mir unbekannte Straßen zu einem kleinem, aber ordentlich aussehenden Haus, das in einer Seitengasse stand. Er klopfte.
Ein haariger Brokelsh, Tarbak der Sohan, öffnete. Auch er hatte ein paar Schrammen abbekommen. »Beim strahlenden Bridzilkelsh! Du hast dir aber Zeit gelassen. Lingurd geht es sehr schlecht.«
Naghan das Faß kam aus einem Zimmer; das dicke Gesicht war sehr ernst.
»Hier entlang.«
Der arme alte Lingurd der Polsim lag in dem abgedunkelten Zimmer auf einem Bett und hustete Blut. Er war von einem Schwert durchbohrt worden, und die Verbände an seiner Brust waren blutdurchtränkt. Eine kleine Och-Frau versuchte gerade, die Verbände zu wechseln. In verschiedenen Körperteilen steckten Akupunkturnadeln, die seine Schmerzen lindern sollten. Blut rann ihm aus dem Mund, als er sprach.
»Mach dir keine Sorgen, Mutter Ivy. Mit mir geht es zu Ende. Ich hoffe nur, daß Impolimar mich zu sich nimmt.«
»Dein heiliger Impolimar wird über dich erzürnt sein, Lingurd der Halsstarrige, wenn du mich nicht helfen läßt.« Sie legte ihm mit der oberen linken Hand ein kaltes, nasses Tuch auf die Stirn und hielt mit der oberen rechten Hand seinen Körper fest, während sie mit den beiden unteren Händen die Wunden geschickt neu verband. »Bleib still liegen, du Stryler.«
Während ich Lingurd ansah, kam mir der Gedanke, daß er gar nicht in der Lage war, um stryle zu sein – was die kregische Bezeichnung für halsstarrig ist. Jedenfalls nicht bei dieser energischen kleinen Nadelstecherin, die ihn versorgte. Die Wunde sah böse aus, doch vermutlich würde er überleben.
»Erzähl, Lingurd«, sagte Naghan das Faß. Seine Stimme klang so sonor wie immer; allerdings war eine gewisse Gereiztheit zu hören.
»Ich habe auf den Notor gewartet«, sagte Lingurd mühsam. »Der Schwertstoß ... und die Wache ... doch ich habe nicht versagt.«
»Davon bin ich überzeugt, Lingurd«, sagte ich freundlich.
»Sie sind über uns hergefallen. Der Gegenstand – ich habe ihn versteckt.« Er versuchte sich ruhelos zu bewegen, und Mutter Ivy beruhigte ihn. Er sprach mit dieser schwachen Stimme weiter.
»In einem Faß – Notor, erinnerst du dich an die Fässer?«
Ich nickte. »Welches ist es?«
»Ein Kreidezeichen – gelb.«
»Soweit ich mich erinnere, hatten alle ein gelbes Kreidezeichen.«
»Ja. Das Zeichen der Dame mit dem Schleier. Und die Zahl Ord.«
Das Zeichen stand für den achten Umlauf von Kregens viertem Mond, der Dame mit dem Schleier.
Bevor ich antworten konnte, stieß Raerdu hervor: »Das hättest du uns auch schon früher sagen können! Ich werde sofort ein paar Mann nach unten schicken ...«
»Und«, unterbrach ich ihn scharf, »ich werde sie begleiten.«
»Aber ...«
»Aber – komm mir nicht mit einem Aber, wie man in Clishdrin sagt, mein Freund. Ich werde gehen.«
Naghan Raerdu kannte mich
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