Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

Titel: 44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
sagen. Er blickte auf und – sah die Geliebte vor sich, die sein einziger Gedanke gewesen war in all der Zeit seiner schweren, bitteren Gefangenschaft. Ihr Antlitz strahlte ihm entgegen, wie die Sonne, deren Anblick er so lange entbehrt hatte. Er wankte, aber er raffte sich zusammen. Die Arme ausbreitend in unendlichem Entzücken trat er auf das jetzt vor Freude doppelt schöne Mädchen zu und jauchzte:
    „Amy, Miß Amy, welch eine Wonne!“
    Sie sah nicht die abgezehrte Gestalt, seine bleichen, eingesunkenen Wangen, sie sah nur das Leuchten seiner Augen und streckte ihm die Hände entgegen. „Alfred“, antwortete sie, „endlich, endlich bist du wieder frei!“
    Sie sanken einander an das Herz und hielten sich fest umschlungen. Kein Wort wurde gesprochen, aber ihre Lippen fanden sich immer und immer wieder, ihre Herzen schlugen aneinander, und die Wonne des Wiedersehens ließ sie den Augenblick vergessen und dazu alles, was zwischen ihrer Trennung in Rodriganda und dem heutigen Tag lag. Da endlich lösten sich seine Arme, mit denen er sie hielt, langsam von ihrer Schulter, sie sanken ermattet herab, Todesblässe breitete sich über sein Angesicht, seine Augen schlossen sich, und sein Körper wankte.
    „Alfred!“ rief sie, ihn voller Angst festhaltend. „Was ist mit dir?“
    „Das Glück – ist zu mächtig – für mich!“ seufzte er mit leiser Stimme und griff mit den Händen, wie um einen Halt zu suchen, in die Luft. Er wurde ihr zu schwer, und sie ließ ihn vorsichtig in einen der vorhandenen Sessel gleiten.
    „Setze dich und ruhe aus“, bat sie. „Du hast viel gelitten, du bist zu schwach.“ Dann kniete sie vor ihm nieder, schlang die Arme um ihn und blickte besorgt zu ihm auf. Erst jetzt bemerkte sie die Zerstörung, die Gefangenschaft, Hunger, Durst und seelisches Leiden in seinem Gesicht und an seinem Körper angerichtet hatten. Ihr Herz krampfte sich zusammen, sie hätte aufschreien mögen vor Mitleid und Schmerz, aber sie bezwang sich und gab ihre angstvolle Teilnahme nur durch die mit zitternder Stimme ausgesprochene Frage kund:
    „Du leidest? Du bist krank, mein Geliebter!“
    Es währte einige Zeit, bis Mariano seiner augenblicklichen Schwäche Herr werden konnte, dann öffneten sich seine Augen, sein Blick senkte sich mit glücklichem Ausdruck in die ihrigen, es kehrte eine leichte Röte auf seine Wangen zurück, und er antwortete:
    „Ich habe viel erduldet, ich wäre meinen Leiden in kurzer Zeit erlegen, aber nun ist alles, alles gut.“
    Sie streichelte ihm vor überquellender Zärtlichkeit die hageren Wangen und erwiderte:
    „Ja, mein Alfred, du sollst wieder stark werden, so stark wie damals, als du in Spanien unser Schutz und Retter warst. Ich werde dich nicht wieder von mir lassen, ich werde dich pflegen, bis alle Spuren deiner Leiden verschwunden sind. Und dann –“
    Sie hielt errötend inne und sprach den begonnenen Satz nicht aus.
    „Und dann –?“ fragte er, sich liebevoll zu ihr niederbeugend.
    „Und dann –“, fuhr sie leise fort, „dann werden wir vereinigt werden für das ganze Leben.“
    Sie schmiegte ihr schönes Köpfchen innig an ihn, er aber schüttelte langsam das Haupt und erwiderte:
    „Das wird wohl nicht möglich sein!“
    „Warum nicht?“ fragte sie betroffen.
    „Du kennst mich nicht. Du weißt nur wenig von mir, und das, was du weißt, das ist – das ist die reine Unwahrheit.“
    Man sah es ihm an, wie schwer es ihm wurde, diese letzten Worte auszusprechen. Über ihr Gesicht flog es wie ein leichtes Erschrecken. Sie blickte ihm forschend in die Augen, und als sie darin nur Liebe und Trauer sah, drückte sie seine Hände und erwiderte:
    „Haben dich die Leiden so verzagt gemacht? Dein Mut wird wiederkehren, mein Geliebter. Ja, ich weiß wenig von dir, aber ich weiß, daß du mich liebst, und das ist genug für mich. Alles andere ist meinem Herzen Nebensache.“
    „Aber dennoch mußt du es erfahren. Höre mich an! Ich bin nicht der, der ich scheine –“
    Sie legte ihm die Hand auf den Mund und unterbrach ihn rasch:
    „Nicht jetzt, Alfred! Ich weiß, daß du rein und edel bist, und mehr mag ich jetzt nicht erfahren. Hast du dich gekräftigt, dann magst du mir erzählen, was du auf dem Herzen trägst. Jetzt aber laß uns nur daran denken, Gott zu danken, daß er dich aus solch einer Trübsal erlöst und mir wiedergegeben hat.“
    Ein glückliches Lächeln breitete sich über sein Angesicht, und er tat ihr den Willen. Seine Hände lagen in

Weitere Kostenlose Bücher