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44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

Titel: 44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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verlassen.“

FÜNFTES KAPITEL
    Der leere Sarg
    „Ich lag in tiefer, finsterer Nacht,
Von Tränen des Grimmes befeuchtet.
Es hat kein Stern mich angelacht,
kein Sonnenstrahl mir geleuchtet.
    Doch deine Liebe war mein Stern,
Und die Hoffnung war meine Sonne.
Ich schrie empor zu Gott, dem Herrn,
Und dachte des Rächers mit Wonne.
    Nun hat der Barmherzige mich erhört;
Er weiß auch, was noch ich erflehe;
All denen, die mir mein Glück zerstört,
Ein Wehe, ein dreifach, Wehe!“
    Am anderen Morgen traf eine Kavalkade von zwanzig Reitern ein, die den Wagen begleitete, in dem Lindsay seine Tochter nach Vera Cruz brachte. Sie wurde von dem Befehlshaber des Kriegsschiffes mit Auszeichnung aufgenommen. Er räumte Amy seine eigene Kajüte ein, und nachdem der Vater von der Tochter Abschied genommen und ihr seine wichtigen Depeschen anvertraut hatte, verließ das Schiff den Hafen.
    Das Wetter war günstig und die Fahrt darum eine schöne und schnelle. Am Tag saß Amy unter einem Zeltdach, das die Sonnenhitze von ihr abhielt, und des Abends erfreut sie sich an der wunderbaren Klarheit des westindischen Meeres, das ja sowohl wegen seiner Gefährlichkeit berüchtigt, als auch wegen seiner Schönheit berühmt ist.
    Keine See leuchtet so herrlich, wie diejenige, durch welche das Kriegsschiff dampfte. Man sah, wie durch flüssiges Kristall bis hinab auf den tiefen Grund. Man sah die wunderbaren Gestalten der Tiere und Pflanzen des Meeres. Vorn am Bug spritzte der leuchtende Gischt in funkelnden Perlen empor, und hinten am Steuer bildete sich eine silberne Furche, die durch den Lauf des Schiffes immer von neuem gebildet und belebt wurde.
    So ging die Fahrt durch die Campeche-Bai nach dem Kanal von Yukatan und dann in das Karibische Meer hinein. Man hatte die Honduras-Bai zur Rechten und die Insel Kuba zur Linken. Es ging an Groß- und Klein-Cayman vorüber, und dann kam man in die Nähe von Jamaika. Um die Hauptstadt Kingston zu erreichen, mußte man die gefährliche Pedro-Bank passieren, die mit ihren Korallenriffen bereits hunderten von Schiffen gefährlich geworden ist.
    Das war am Vormittag. Die Sonne stand noch nicht hoch, und man konnte kaum auf der Fläche der See mit dem Auge verweilen, ohne in demselben Schmerzen zu fühlen, wie es in diesen sonnendurchglänzten Breiten immer der Fall zu sein pflegt. Da meldete der Mann auf dem Ausguck ein Segel in Sicht. Als dasselbe näher kam, erkannte man eine kleine Dampfjacht, die sich neben dem Dampfe auch noch zweier Rahsegel zum Fortkommen bediente.
    Amy saß unter ihrem Zeltdach, und der Kapitän stand bei ihr.
    „Ein kleines, verteufeltes Fahrzeug“, sagte er. „Es kommt mit einer Geschwindigkeit daher, wie ich sie gar nicht für möglich gehalten habe. Sehen Sie, Miß Lindsay.“
    Sie trat mit ihm an den Bord des Schiffes, um die Jacht besser in Augenschein nehmen zu können. Jetzt löste der Kriegsdampfer eine Kanone, um das kleine Fahrzeug zum Beidrehen aufzufordern.
    „Was für ein Fahrzeug?“ fragte der Deckoffizier hinüber.
    „Privatjacht ‚Rosa‘!“ lautete die Antwort.
    „Wem gehörig?“
    „Karl Sternau aus Deutschland!“
    Bei diesem Namen stieß Amy einen Ruf der Überraschung aus. Sie strengte ihre Augen an und sah nun auch die hohe Gestalt Sternaus am Steuer stehen.
    „Kennen Sie den Mann, Miß?“ fragte der Kapitän, der ihren Ruf gehört.
    „Ja, Sir; es ist einer meiner besten Freunde. O bitte, darf er nicht an Bord kommen?“
    „Gewiß, wenn Sie es wünschen.“
    Und die Hände an den Mund legend, fragte er nach der Jacht hinüber:
    „Ist Mr. Sternau selbst an Bord?“
    „Ja“, ertönte die Antwort.
    „Kommen Sie an Bord!“
    „Ich habe keine Zeit“, erwiderte der Aufgeforderte, trotzdem er wohl wußte, daß er gezwungen war, an Bord zu kommen, sobald er von einem Kriegsschiff dazu aufgefordert wurde.
    „Miß Amy Lindsay ist hier!“ erklärte der Kapitän.
    „Ah, ich komme!“
    Bald stieß ein Boot von der Jacht ab, und je mehr es sich dem Kriegsschiff näherte, desto besser konnten sich die beiden erkennen. Sie ließ ihr Taschentuch wehen, und er schwenkte den Hut. Endlich stieg er das Fallreep empor und stand auf Deck. Seine erste Begrüßung galt dem Kapitän, und dann wandte er sich an Amy, die ihn mit hoher Freude bewillkommnete.
    „Ich glaubte Sie in Afrika!“ sagte sie, nachdem sie ihm beide Hände gereicht hatte.
    „Ich habe den ‚Lion‘ bis hierher gejagt“, antwortete er.
    „Den ‚Lion‘? Welchen ‚Lion‘? Doch nicht

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