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44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

Titel: 44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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den ihrigen, und sein Auge hing trunken an ihren schönen Zügen. Sie dachten nur an sich, sie achteten nicht des Lärms, der dadurch erregt wurde, daß vielfache Schritte die Lukentreppe auf- und niederstiegen, was daher kam, daß die auf dem Piratenschiff vorhandenen Waren, Waffen und andere Gegenstände auf das Kriegsschiff übergeladen wurden.
    Endlich klopfte es leise an die Tür, und auf Amys Aufforderung trat Sternau herein.
    „Entschuldigen Sie“, bat er. „Die Sorge um den Freund veranlaßt mich zu der Störung. Ich komme als Arzt und möchte den Herrn Leutnant ersuchen, mit auf das Verdeck zu kommen. Ein Mann, der Monate lang im Kielraum eines Schiffes eingekerkert war, darf sich der Sorge um seine Gesundheit nicht länger entziehen, als es durchaus nötig ist.“
    Sie folgten ihm hinauf.
    Da oben sah es wirr genug aus. Da lagen Kisten, Säcke, Ballen, Waffen, Munition und Proviant bunt durcheinander, und alle Hände waren beschäftigt, diese Dinge auf das Kriegsschiff zu bringen, das sich Seite an Seite mit dem Piraten gelegt hatte. Am anderen Bord des letzteren lag die kleine Dampfjacht, deren Bemannung den Engländern bei der Arbeit half.
    Jetzt, da der Spanier von dem vollen Licht der Sonne beschienen wurde, sah man erst mit Deutlichkeit, welchen Einfluß seine traurige Gefangenschaft auf ihn gehabt hatte. Er glich dem Abbild des Todes. Seine Farbe spielte ins Grüne, seine Augen lagen tief in ihren Höhlen, und die Haut spannte sich scharf über die hervortretenden Knochen. Er war der körperlichen Auflösung ebenso nahe gewesen, wie dem geistigen Verschmachten.
    Sternau untersuchte ihn sorgfältig, wobei das Auge des Mädchens voller Angst auf seinem ernsten Angesicht ruhte.
    „Wir wollen Gott danken“, sagte er endlich, „daß wir Sie heute getroffen haben, Herr Leutnant. Eine Woche später wären Sie nicht mehr unter den Lebenden gewesen.“
    Amy erschrak und entfärbte sich.
    „Oh, mein Gott!“ rief sie. „Ist sein Zustand so besorgniserregend, Herr Doktor?“
    „Nein, Miß“, antwortete Sternau. „Ich konstatiere nichts weiter als eine allerdings hochgradige Schwäche, derer wir aber bei einiger Vorsicht recht bald Meister werden wollen. Freie Luft, fleißige Bewegung und eine sorgfältige, dem Leiden angemessene Ernährung werden das ihrige tun, unserem Freund seine früheren Kräfte bald wiederzugeben.“
    „Oh, ich danke Ihnen für diesen Trost!“ sagte sie, dem Arzt ihre Hand entgegenstreckend. „Ich werde ihn pflegen nach besten Kräften und nichts versäumen, was nötig ist.“
    Sternau blickte die schöne Sprecherin lächelnd an und fragte:
    „Werden Sie auch Gelegenheit dazu finden, Miß Amy?“
    „Gewiß. Ich werde mich ja nicht wieder von ihm trennen!“
    „Dann bitte ich Sie vor allen Dingen, mich zu unterrichten, wie Sie an Bord dieses Kriegsschiffes in die Nähe von Jamaika kommen.“
    „Ich will zum Gouverneur dieser Insel, um ihm wichtige Botschaften zu überbringen.“
    „So ist unser Zusammentreffen also ein rein zufälliges –?“
    „O nein“, unterbrach sie ihn schnell. „Es ist viel mehr als das; es ist eine Fügung Gottes, dem wir nicht genug Dank dafür sagen können.“
    „Ich gebe dies natürlich zu. Wie lange werden Sie auf Jamaika verweilen?“
    „So lange, bis ich die Antwort erhalten habe. Oder meinen Sie, daß der Zustand unseres Freundes einen längeren Aufenthalt nötig macht?“
    „Ich möchte ihm allerdings eine längere Zeit der inneren und äußeren Ruhe verordnen, aber das Klima von St. Jago de la Vega ist sehr ungesund.“
    „Der Gouverneur residiert nicht in dieser Hauptstadt, sondern in Kingston.“
    „Oh, Kingston ist noch gefährlicher. Diese Stadt ist ja berüchtigt in Beziehung auf ihre Fieberlust, ich möchte dort keinen Patienten wissen. Das Ziel Ihrer Rückreise ist Mexiko?“
    „Ja. Der Kriegsdampfer hat Auftrag, mich nach Vera Cruz zu bringen.“
    Sternau nickte nachdenklich. Dann erwiderte er:
    „Der Dampfer wird bis morgen hier liegen bleiben, um die Güter des Piraten zu überladen. Ich schlage daher vor, Sie dampfen sogleich mit meiner Jacht nach Kingston. Der Gouverneur wird, wenn Sie ihn darum ersuchen, sich beeilen, Ihnen seine Antwort zu geben, und dann bringe ich Sie selbst nach Vera Cruz. Sie können sich meiner Jacht getrost anvertrauen. Sie ist schneller als das Kriegsschiff und auch gut bewaffnet, sodaß wir nichts zu befürchten haben. Je eher wir den Leutnant nach der Hochebene von Mexiko bringen, desto

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