44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
ging und trat bald darauf mit Sternau ein. Er hatte diesem unterwegs erzählt, was der berühmte Häuptling gesagt hatte. Sternau begrüßte ihn daher lächelnd, dann erkundigte er sich:
„Ich habe gehört, daß Ihr ‚Büffelstirn‘ seid, der größte Häuptling der Mixtekas. Ist dies wahr?“
„Ich bin es“, lautete die Antwort.
„Welche Botschaft bringt Ihr uns?“
„Ich sah, bevor ich Euch nach der Hacienda führte, zwölf Bleichgesichter, die Euch überfallen und töten wollen; jetzt aber sah ich dreimal so viele Weiße, die die Hacienda zerstören und alles Lebendige darin ermorden wollen!“
„Habt Ihr sie belauscht?“
„Ja.“
„Wann wollen sie kommen?“
„Morgen nacht.“
„Wo befinden Sie sich?“
„In der Schlucht des Tigers.“
„Ist diese weit von hier?“
„Nach dem Maß der Bleichgesichter muß man eine Stunde reiten oder über zwei Stunden gehen.“
„Was tun sie jetzt?“
„Sie essen, trinken und schlafen.“
„Ist Wald in der Schlucht?“
„Ein großer, dichter Wald. Im Wald ist eine Quelle, und an dem Wasser liegen sie.“
„Haben sie Wachen ausgestellt?“
„Ich habe zwei Wachen gesehen, die eine am Eingang und die andere am Ausgang der Schlucht.“
„Wie sind die Bleichgesichter bewaffnet?“
„Sie haben Flinten, Messer und Pistolen.“
„Wollt Ihr mich hinführen?“
Bei dieser Frage blickte der Häuptling den Arzt mit sichtlichem Erstaunen an. „Was wollt Ihr dort?“ fragte er.
„Ich will mir die Bleichgesichter ansehen.“
„Wozu? Ich habe sie bereits gesehen. Wer sie sehen will, der muß durch den Wald und im Moos kriechen, und da würdet Ihr Euch Eure schönen mexikanischen Kleider beschmutzen.“ Dies sagte ‚Büffelstirn‘ mit einem beinahe beleidigenden Lächeln, dann fügte er hinzu: „Und wer zu ihnen geht, sie zu belauschen, den werden sie erschießen.“
„Fürchtet Ihr Euch, mich zu begleiten?“ fragte Sternau.
Da blickte ihm der Mixteka verächtlich ins Gesicht und erwiderte:
„‚Büffelstirn‘ kennt keine Furcht. Er wird Euch führen, aber er kann Euch nicht helfen, wenn dreimal zwölf Bleichgesichter über Euch herfallen.“
„So wartet!“ Mit diesen Worten entfernte sich Sternau, um sich für den Weg vorzubereiten.
„Dieser Doktor wird sterben!“ meinte der Indianer mit Bestimmtheit.
„So wirst du ihn beschützen!“ antwortete Arbellez sehr ernst.
„Er hat gesagt, daß er sich vor zwölf Feinden nicht fürchtete; er hat einen großen Mund und eine kleine Hand, er spricht viel und wird nichts tun.“
Damit trat er an das Fenster und blickte hinaus, als ob ihn alles Weitere nichts angehe.
Sternau hatte seine Jägerkleidung mit auf die Reise genommen. Er hatte sie auf der Jacht eingepackt, sie mit nach Mexiko gebracht und in Mexiko hinter sich auf das Pferd geschnallt. Er legte sie jetzt an und kam dann zurück.
„Jetzt können wir gehen“, sagte er.
Der Mixteka drehte sich um. Als sein Auge auf den Mann fiel, der vor ihm stand, spiegelte sich auf seinem Gesicht das lebhafteste Erstaunen.
Sternau trug ein paar elenlederne Leggins, ein festes Jagdhemd, einen breitkrempigen Hut und hoch heraufgehende Stiefel. Über seiner Schulter hingen ein Henrystutzen, mit dem man fünfundzwanzigmal schießen kann, ohne zu laden, und eine doppelläufige Bärenbüchse. In seinem Gürtel steckten zwei Revolver, ein Bowiemesser und ein glänzender Tomahawk. Diese Waffen, außer dem Tomahawk, hatte der Indianer bereits gesehen. Das Äußere Sternaus war jetzt so kriegerisch und gebieterisch, daß es wohl Bedenken einzuflößen vermochte.
Der Indianer schritt an ihm vorüber und sagte nur ein Wort:
„Kommt.“
Da er Sporen an den Stiefeln trug, fragte Sternau:
„Seid Ihr beritten?“
„Ja“, sagte ‚Büffelstirn‘, noch einen Augenblick stehen bleibend.
„Wollt Ihr nach der Schlucht des Tigers reiten?“
„Ja.“
„Laßt Euer Pferd da, wir werden gehen.“
„Warum?“
„Ein Mann kann sich eher verbergen als ein Reiter, und ein Pferd verrät leicht den, dem es gehört. Ich will nicht die Fährte eines Pferdes machen.“
Der Blick des Mixteka leuchtete auf. Er sah ein, daß Sternau recht hatte. Er führte also sein Pferd nach der Weide, trat dann mit dem Deutschen hinaus ins Freie und schritt mit langsamen Schritten voran, ohne sich umzusehen. Nur einmal, als der Boden sandig war, blieb er stehen und blickte auf die Spur zurück, die sie gemacht hatten. Es war nur die Spur eines einzigen Mannes, denn
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