44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
zeigte sich bei ihm als nicht übermäßig. Das Taschentuch und ein Stück von der Pferdedecke genügten zum einstweiligen Verband. Anders war es bei dem Kapitän. Die scharfen Schnittflächen seiner vierfachen Fingerwunde begünstigten das Hervorbrechen des Blutes, und die Kugelwunde am Arm, obgleich nicht gefährlich, schien eine bedeutende Vene zerrissen zu haben. Hier war die Blutung mit weit größerer Mühe zu stillen.
Während dieser Verbandarbeiten wurde nur wenig gesprochen, und das, was geredet wurde, trug den Charakter des Grimmes und der Wut an sich.
„Wer hätte das gedacht!“ meinte Pardero.
„Daß Sie so ungeschickt sind, auf mich zu schießen!“ unterbrach ihn der Kapitän.
„Ich? Sie haben ja bereits gehört, wie es zugegangen ist. Dieser Sternau ist ein Fechter und Schütze, wie es keinen zweiten gibt.“
„Und Sie ebenso ein Schütze, wie es keinen zweiten gibt, nämlich so schlecht!“
„Ich bitte die Herren, sich nicht zu entzweien!“ sagte der Sekundant, welchem das Geschäft des Verbindens allein oblag, da die beiden anderen durch ihre Wunden verhindert waren, ihm durch eine Handreichung beizustehen. „Das Rendezvous war ein ganz und gar außerordentliches. Dieser Sternau kann wirklich fast ein Teufel genannt werden, obgleich alles sehr natürlich zugegangen ist. Seine Geschicklichkeit sowohl in Beziehung der Schieß- als auch der Hiebwaffe ist eine geradezu auffällige, aber noch auffälliger sind mir die Worte, welche er sprach.“
„Allerdings auffällig im höchsten Grad“, stimmte Pardero bei. „Er beschuldigte Sie, Kapitän, ja geradezu, einen Mörder gedungen zu haben, der ihn und seinen Sekundanten niederschießen solle.“
„Schlechtigkeit!“ antwortete Verdoja.
Aber trotz dieses Wortes konnte er die tiefe Röte nicht verbergen, welche in sein vorher so totenbleiches Gesicht getreten war. Wer bei solchem Blutverlust so tief erröten konnte, der mußte sich getroffen fühlen.
Der Sekundant fixierte ihn mit scharfem Auge. Er war ein Ehrenmann, der, wenngleich, ein Mexikaner, sich der Beihilfe einer Unehrenhaftigkeit nicht schuldig machen wollte. Er hatte keine Ahnung von den eigentlichen Absichten seines Vorgesetzten, dem er nur sehr ungern als Sekundant gedient hatte, da es sich ja um die Beleidigung einer Dame handelte; aber gerade daß es sein Vorgesetzter war, hatte ihn vermocht, eine Weigerung nicht auszusprechen. Er fühlte, ja, er war fest überzeugt, daß Sternaus Anschuldigung eine begründete sei, und darum fragte er:
„Was sollte diesen Deutschen zu einer solchen Beschuldigung veranlassen?“
„Eben seine Schlechtigkeit“, antwortete der Kapitän.
„Sie irren wohl, Señor!“ sagte der Sekundant ruhig. „So wie ich Sternau beurteile, ist er nicht der Mann zu einer solchen Bosheit.“
„So war es ein übel angebrachter Theatercoup, um den Effekt zu erhöhen.“
„Auch das glaube ich nicht. Sternau, der berühmte Jäger, ist kein Schauspieler.“
Da stampfte Verdoja zornig mit dem Fuß.
„Schweigen Sie! Oder wollen Sie mir etwa sagen, daß Sie glauben, was dieser Mensch ausgesprochen hat?“
„Er hat eine offene Anschuldigung ausgesprochen, die Sie nicht widerlegten“, antwortete der Leutnant gemessen. „Ich enthalte mich natürlich eines jeden Urteils, bis bewiesen ist, daß der Ankläger sich geirrt hat.“
„Das will ich Ihnen auch raten!“
Der junge Mann blickte von dem Verband auf, mit dem er beschäftigt war, zog die Brauen zusammen und fragte:
„Soll das eine Drohung sein, Kapitän?“
„Allerdings!“ lautete die zornige Antwort.
Sofort ließ der Leutnant das Tuch los und trat zurück.
„Ich verbitte sie mir sehr ernstlich!“ sagte er. „Sie sind im Dienst mein Vorgesetzter, in einem Ehrenhandel aber ist meine Stellung keine andere, als die Ihrige. Ihr Verhalten gegen mich ist mir unbegreiflich, und ich sage Ihnen, daß ich sofort nach unserer Rückkehr mit Señor Sternau sprechen werde. Er hat Sie des Meuchelmordes angeklagt, geschah es mit Unrecht, so muß er widerrufen und Genugtuung geben, geschah es aber mit Recht, so werde ich aus meiner Stellung scheiden.“
„Ich verbiete Ihnen, mit diesem Menschen zu sprechen!“ schnaubte der Kapitän.
„Sie haben mir nur in dienstlichen Dingen Befehl zu erteilen, sonst nicht. Sie kennen jetzt meine Ansicht. Soll ich den Verband vollenden, so ersuche ich Sie, das jetzige Thema fallen zu lassen.“
Der Kapitän schwieg notgedrungen und hielt ihm den Arm entgegen. Der
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