44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
welche nicht ganz unbedeutend waren. Dies wollte Verdoja benutzen. Er brauchte einen Verbündeten, der von ihm abhängig war, und dazu paßte niemand besser als Pardero. Daher nahm er ihn auf seinem jetzigen Ritt mit, um ihn für seine Zwecke zu engagieren.
Verdoja wußte nicht, daß seine Helfershelfer gefangen seien; er konnte nicht begreifen, wie Sternau seinen Anschlag erfahren hatte, und wollte nun für den Mörder einen zweiten Zettel unter den Stein stecken, um ihn für Mitternacht abermals zu bestellen. Doch ritt er nicht direkt der Gegend zu, in welcher sich der Stein befand. Er wußte sich von Sternau beobachtet, darum machte er einen Umweg, und zwar einen noch weiteren, als sein gestriger gewesen war.
„Warum brechen wir erst morgen nach Monclova auf?“ fragte Pardero unterwegs. „Der Weisung nach müßten wir doch sofort reiten.“
„Wir haben erst hier noch einiges abzumachen, ich und Sie“, antwortete Verdoja.
„Ich?“ fragte Pardero erstaunt.
„Ja. Oder wollen Sie diesen Sternau, der Ihnen die Hand zerschmettert hat, unbestraft lassen?“
„Ah, wenn ich ihn fassen könnte!“ knirschte der Leutnant.
„Das werden wir. Übrigens denke ich auch, daß die schöne Indianerin Ihr Blut in Wallung gebracht hat. Sie ist schuld an Ihrem Rencontre mit dem Deutschen. Wollen Sie von hier fortgehen, ohne sich diese Schuld in liebenswürdiger Weise abtragen zu lassen?“
Aus den Augen Parderos leuchtete eine gefährliche, sinnliche Glut.
„Teufel, ja“, sagte er. „Ich gestehe aufrichtig, daß ich vor Lust brenne, sie willfährig zu sehen. Sie ist das schönste Mädchen, das ich kenne, und ich gebe viel darum, sie einmal – nun, als – als Frau zu besitzen!“
Dies war ein offenes Geständnis. Der Kapitän nickte mit dem Kopf.
„Als – wirkliche Frau?“ fragte er lächelnd.
„Fällt mir nicht ein!“
„Und nur ein einziges Mal?“
„Je länger, desto lieber!“
„Gut! Sie waren offen, und so will ich Ihnen ebenso ehrlich sagen, daß es mir geradeso geht mit dieser Señorita Emma. Ich habe mich in sie vergafft und bin wirklich ganz verliebt in den Gedanken, meine innigen Gefühle belohnt zu sehen. Freilich wird das nicht geschehen, aber wer kann uns widerstehen, wenn wir vereint handeln? Wollen wir uns verbünden, Leutnant?“
Er streckte Pardero die Hand entgegen.
„Gern!“ rief dieser, indem er sofort und kräftig einschlug. „Aber wie?“
„Lassen Sie nur mich sorgen! Ich habe übrigens noch andere Pläne, welche nicht nur für mich, sondern auch für Sie von Vorteil sind.“
„Ich hoffe, daß ich sie erfahren werde!“
„Hm, sie sind etwas heikler Natur, und ich weiß nicht, ob ich Ihnen vertrauen darf, ob ich auf alle Fälle und unter allen Umständen auf Ihre Verschwiegenheit rechnen kann.“
„Ganz sicher! Ich schwöre es Ihnen!“
„Nun wohl, ich will einmal kühn sein und Ihnen glauben. Was halten Sie von der Anschuldigung, welche Sternau heute gegen mich ausgesprochen hat?“
„Hm!“ antwortete Pardero, indem er nachdenklich auf den Sattelknopf niederblickte.
„Nun? Reden Sie offen!“
„Wenn Sie es befehlen, so sage ich Ihnen aufrichtig, daß Ihr Verhalten bei dieser Sache nicht ganz geeignet war, das Gegenteil glauben zu lassen.“
„Richtig. Ich gestehe Ihnen, daß dieser Deutsche recht hatte.“
Dieses rückhaltlose Bekenntnis machte Pardero doch etwas verdutzt.
„Also wirklich!“ sagte er erstaunt.
„Ja, und wenn mein vorsichtiger Anschlag gelungen wäre, so befänden wir uns beide noch im Besitz unserer Hände, und den Deutschen mitsamt seinem Sekundanten hätte der Teufel geholt. Ich muß Ihnen nämlich sagen, daß ich von sehr hoher und einflußreicher Seite den Befehl habe, Sternau und seine Begleiter unschädlich zu machen.“
Diese letzten Worte waren schlaue Berechnung; sie sollten Pardero willig machen, dem Kapitän Hilfe zu leisten.
„Das ist überraschend“, sagte dieser. „Darf man nach Namen fragen?“
„Jetzt noch nicht. Dieser Sternau ist mehr als er scheint. Es hängt von seinem Verschwinden das Gelingen weittragender Pläne ab, und derjenige, welcher ihn verschwinden läßt oder dabei Hilfe leistet, hat auf eine nachhaltige Dankbarkeit zu rechnen. Sie können sich denken, daß ich mich nicht in Gefahr begeben hätte, wenn ich nicht wüßte, daß mir dadurch eine Karriere, eine Zukunft geöffnet wird, an die ich sonst nicht denken dürfte.“
Das war nicht wahr; das war eine große Lüge, aber der Kapitän
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