44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
frei geben, doch unter der Voraussetzung, daß ihr euch stets hart vor uns haltet. Es geht nach der Hacienda del Erina.“
Er knüpfte ihnen auch die Handfesseln auf, sodaß sie nun die Zügel regieren konnten. Sie waren nun nur mit Stricken befestigt, welcher von dem einen ihrer Füße unter dem Pferd hinweg nach dem anderen lief. Dies war nicht nur eine Gnade, sondern auch eine Vorsichtsmaßregel von Sternau. Entgehen konnten ihnen die Gefangenen nicht; sie waren ja an die Pferde gebunden und hatten keine Waffen, die ihnen von Sternau und Mariano abgenommen worden waren. Ferner wollte Sternau die bei der Hacienda lagernden Lanzenreitern nicht wissen lassen, daß er Gefangene bringe: das hätte dann der Kapitän zu früh erfahren. Gab er den beiden Männern also die Zügel frei, so hatten sie das Aussehen freier Begleiter und konnten sehr leicht für Leute gehalten werden, welche zur Hacienda gehörten.
Es ging im Galopp dieser letzteren zu. Das Tor stand, wie jetzt, gewöhnlich offen, und so ritten sie in den Hof ein, ohne von den Soldaten beachtet zu werden. Der Haziendero stand am Portal und erstaunte, sie mit zwei Begleitern und einem ledigen Pferd ankommen zu sehen.
„Ah, da sind Sie ja. Wir haben nach Ihnen gesucht. Sie bringen mir Gäste mit, Señores?“
„Nicht eigentlich Gäste, Señor“, sagte Sternau. „Es sind Gefangene.“
Der Haziendero machte ein erstauntes Gesicht.
„Gefangene?“ fragte er. „Wieso? Mein Gott, was ist Ihnen schon wieder passiert?“
„Das werden Sie erfahren. Aber bitte, öffnen Sie uns ein Gewölbe, in welchem wir diese Männer sicher unterbringen können, von deren Hiersein die Offiziere der Lanzenreiter zunächst noch nichts wissen dürfen.“
Es wurden den Männern jetzt die Hände wieder gefesselt; dann band man sie von den Pferden los und steckte sie in ein Gewölbe, welches ohne Fenster war, und dessen Tür so verschlossen wurde, daß an eine Flucht gar nicht gedacht werden konnte. Die Soldaten merkten nicht das geringste davon.
Nun begaben sich die beiden Freunde nach dem Speisesaal, um das Frühstück einzunehmen. Dort fanden sie Helmers, Karja und Emma, welche auf einige Augenblicke ihren genesenden Pflegling verlassen hatten, und erzählten ihnen das gehabte Abenteuer. Pedro Arbellez wußte noch nichts davon, daß seine Tochter auf dem Dach beleidigt worden sei; er erschrak, als er es hörte.
Als dann die Rede auf das Duell kam, erbleichte sie. Mariano berichtete den ganzen Hergang desselben, und Sternau erntete wohlverdiente Bewunderung von seinen Zuhörern. Diese war aber gemischt mit der Befürchtung, daß die Lanzenreiter nun an der Hacienda und ihren Bewohnern Rache nehmen möchten. Sternau versuchte, diese Befürchtungen zu zerstreuen.
„Die Lanzenreiter sind ja Untergebene von Juarez, der es früher oder später ganz sicher zum Präsidenten bringen wird“, sagte er. „Juarez aber ist Ihnen wohl gesinnt, Señor Arbellez, das hat er Ihnen bewiesen, indem er Ihnen die Verwaltung der Hacienda Vandaqua anvertraute. Das werden diese Offiziere bedenken müssen. Übrigens haben wir gegen diese eine sehr gefährliche Waffe in der Hand, nämlich unsere Gefangenen, welche wir jetzt verhören werden. Der Mensch, welchen ich gestern abend gefangen nahm, liegt noch wohl verschlossen in meinem Zimmer; ich habe heute noch nicht nach ihm sehen können und werde ihn herbeibringen.“
Er ging nach seiner Wohnung und fand den Mann noch in derselben Lage, wie er ihn verlassen hatte. Es stand zu vermuten, daß er sich alle Mühe gegeben hatte, frei zu kommen, aber seine Fesseln waren zu fest gewesen. Sein Gesicht hatte eine bläuliche Farbe, und ein leises, röchelndes Stöhnen drang unter dem Knebel hervor, welcher ihn verhindert hatte, in freier Weise zu atmen. Sternau erkannte, daß der Gefesselte in kurzer Zeit den Erstickungstod gestorben wäre, und nahm ihm den Knebel ab. Dann band er ihn vom Bett los und befreite auch seine Beine und Füße von den sie umschlingenden Riemen, so daß er nur noch an den Händen gebunden war.
„Stehe auf!“ gebot er ihm. „Ich habe mit Dir zu sprechen.“
Der Gefangene erhob sich mühsam; er hatte während der Zeit, in welcher er in Banden gelegen hatte, den freien Gebrauch der Glieder verloren. Er konnte atmen, und so stellte sich eine natürlichere Gesichtsfarbe ein, und seine Augen verloren den stieren Ausdruck, den sie gehabt hatten; aber der Blick, welchen er auf Sternau warf, zeigte keine Spur von Ergebung.
„Wie
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