44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
geschehen habe. Mariano riet, sie zu erschießen, aber die anderen waren dagegen. Die Gefangenen hatten zwar auf Mord gesonnen, aber denselben nicht ausgeführt. Übrigens wußte man noch nicht, was der berühmte Juarez zu der ganzen Angelegenheit sagen werde. Es war besser, sie ohne Blutvergießen loszuwerden, da sie ja durch den Verlust ihrer Hände genug bestraft seien, und so wurde beschlossen, ihnen nur die Waffen vorzuenthalten, sie aber nach zwei Tagen zu entlassen. Dies letztere geschah, damit sie nicht Gelegenheit fänden, vor dem heute abgegangenen Eilboten bei Juarez einzutreffen.
Was ihre drei gefangenen Mitschuldigen betraf, so wollte Sternau das ihnen gegebene Versprechen erfüllen. Sie erhielten ihre Pferde, Messer und Lassos; die Büchsen und Pistolen wurden ihnen abgenommen. Dann ließ man sie reiten, aber unter der strengen Androhung, daß ein jeder sofort erschossen werde, wenn er sich noch einmal in der Nähe der Hacienda erblicken lasse.
Am dritten Tag wurden Verdoja und Pardero aus ihrem Gewahrsam geholt und vor die versammelten Bewohner der Hacienda gestellt. Sternau machte ihnen den Beschluß bekannt, welcher über sie gefaßt worden war, und dann wurden sie entlassen. Sie ritten davon, ohne ein einziges Wort gesagt oder geantwortet zu haben und setzten sich das Städtchen Nombre de Dios zum ersten Ziel. Dort trugen sie Sorge, ihre Uniform mit einer gewöhnlichen Kleidung zu verwechseln, und dann waren sie verschwunden.
ACHTES KAPITEL
Tief unter der Erde
Nach der Aufregung folgten auf der Hacienda del Erina einige Wochen ruhigen Stillebens. Sternau wollte nicht eher fortgehen, als bis der Patient hergestellt sei; der geringfügigste, unvorhergesehene Umstand konnte ja dessen Genesung, sogar sein Leben in Frage stellen. Nach vierzehn Tagen war der Kranke bereits so weit, daß er sein Bett verlassen konnte; nach weiteren acht Tagen durfte er sich im Garten ergehen, und als noch eine Woche vergangen war, versuchte er sich bereits in weiteren Fußtouren.
Geistig war er vollständig wieder hergestellt, aber seit dem Augenblick, an welchem sein Gedächtnis von neuem erwacht war, lebte in ihm der Gedanke, sich an Alfonzo de Rodriganda zu rächen. Darum ließ er die Freunde nicht fort; er wollte sich ihnen auf ihrem Rachezug anschließen, und da er dies nicht konnte, bevor er sich an das Reiten gewöhnt hatte, so mußten sie notgedrungenerweise warten, bis dies geschehen war. Jetzt war ihm die Erschütterung, welche der Gang des Pferdes auf sein Gehirn hervorbrachte, noch zu unerträglich; er konnte sich an dieselbe nur durch langsam fortschreitende Übung gewöhnen.
So vergingen noch einige Wochen.
Während dieser Zeit stand Mariano mit seiner Geliebten in brieflichem Verkehr. Er hatte ihr einige Male geschrieben und auch ihre Antworten erhalten. Sie ermunterte ihn, sich der Führung Sternaus auch fernerhin anzuvertrauen, und versicherte ihn ihrer innigsten Liebe und ewigen Treue.
Sternau hatte in Vera Cruz, ehe er den Ritt nach Mexiko antrat, seiner Frau geschrieben und sie gebeten, ihren nächsten Brief nach Mexiko an ihre Freundin Amy Lindsay zu richten, durch deren Hand er denselben auf alle Fälle erhalten werde, er möge sein, wo er wolle. Heute erhielt Mariano abermals ein Schreiben von der Geliebten; das Kuvert hatte einen ziemlichen Umfang, und als er es öffnete, enthielt es auch einen an – Sternau adressierten Brief.
Dieser Brief war aus der Heimat, aus Rheinswalden gekommen, und Sternau öffnete ihn, als er sich in sein Zimmer zurückgezogen hatte, mit vor Freude zitternden Händen. Der Inhalt strömte über von Glück und Liebe; er füllte mehrere eng beschriebene Bogen und enthielt auch ein Blatt an Kapitän Helmers, dessen eine Seite von seiner Frau und die andere von dem kleinen Kurt beschrieben war.
Rosa erzählte alles, was sich während Sternaus Abwesenheit zugetragen hatte, kam dann auf ihre eigene Angelegenheit zu sprechen und erwähnte dabei, daß der Staatsanwalt sich alle Mühe gebe, aber bisher noch keinen weiteren Erfolg zu verzeichnen habe. Das größte Glück aber gewährte dem Leser der Schluß des Schreibens, welcher in Worten, bei denen die Wangen der schönen Schreiberin sicherlich vor Glück, Freude und wonniger Scham erglüht waren, ihm eine Kunde brachten, bei deren Lesen er einen lauten Jubelruf ausstieß und das Papier zehnmal und zehnmal küßte. Die Worte lauteten:
„Und nun noch eins, mein Carlos, was ich dir mit entzücktem, wonneschauerndem
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