44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
Sternau warf einen forschenden Blick auf den Sprecher und sah dann von einer Unterhaltung mit ihm gänzlich ab.
Der Fremde erklärte nach einiger Zeit, zur Ruhe gehen zu wollen, da er in der Früh wieder aufbrechen müsse, und so wurde ihm von der alten Marie Hermoyes sein Zimmer angewiesen. Dort angekommen aber entkleidete er sich nicht, um schlafen zu gehen, sondern er streckte sich auf seine Hängematte und brannte eine Zigarette an. Als diese zu Ende, nahm er eine zweite, dritte und vierte; er rauchte fort und horchte dabei auf den Korridor hinaus. So kam die Mitternacht heran. Er nahm jetzt das Licht und trat zum Fenster, vor welchem er mit demselben einen Kreis beschrieb. Dies tat er noch zweimal, dann löschte er es aus. Einige Minuten später wurden einige Sandkörnchen gegen das Fenster geworfen, und er öffnete. –
Als der Offizier den Speisesaal verlassen hatte, kam das Gespräch erst in ordentlichen Fluß. Seine Anwesenheit hatte nicht wohltuend gewirkt. Sein Auge hatte etwas Stechendes, seine Stimme etwas Scharfes, Zurückweichendes gehabt. Am nachdenklichsten war Sternau gestimmt. Es sprach ein Etwas in ihm gegen diesen fremden Offizier, aber er konnte sich nicht klar werden, was es war. Die Uniform hatte ihm nicht gepaßt, es war gewesen, als ob sie für einen anderen gemacht worden sei; weiter aber ließ sich nichts sagen.
Als man sich getrennt hatte, um zur Ruhe zu gehen, und Sternau sich in seinem Zimmer befand, schritt er nachdenklich in demselben auf und nieder. Er fühlte eine Unruhe in sich, die er nicht begreifen konnte; nur das wußte er, daß sie mit der Anwesenheit dieses Offiziers zusammenhing.
War der Mann wirklich Offizier? Verdoja und Pardero waren mit Rachegedanken fortgegangen, und seit Arbellez die Hacienda Vandaqua zu verwalten hatte, war die Hacienda del Erina von Vaqueros entblößt. Sternau beschloß, wachsam zu sein. Er schlich sich hinaus auf den Korridor und horchte an der Tür des Fremden. Dieser mußte schlafen, denn es ließ sich nicht das mindeste Geräusch vernehmen. Er schlich sich wieder zurück und begab sich hinunter in den Hof, um da einen Rundgang zu machen und zu sehen, ob alles in Ordnung sei. Er ahnte nicht, was ihm bevorstand. –
Von dem Städtchen Nombre de Dios her kam, als die Sonne im Untergehen war, eine bewaffnete Reiterschar. Sie zählte fünfzehn Mann, und an ihrer Spitze ritten – Verdoja und Pardero. Die Männer ritten der Hacienda del Erina entgegen und hielten, nachdem es dunkel geworden war, bei dem Wald an, an dessen äußerster Ecke sich der Stein befand, welcher dem Kapitän als Postoffice gedient hatte. Dort stiegen sie ab, führten die Tiere zwischen die Bäume und banden sie an. Drei Mann blieben als Wache zurück und die anderen zehn folgten ihren beiden Anführern nun zu Fuß nach der Hacienda.
Verdoja und Pardero flüsterten leise.
„Es war doch gut, daß sich unsere Uniformen noch in der Stadt befanden“, meinte der erstere; „so konnte sich Enrico als Spion einschleichen, und wir sind von allem unterrichtet, ehe wir beginnen.“
„Wenn man ihn nur nicht durchschaut!“ sagte Pardero.
„Ich habe keine Sorge. Er ist ein gewandter Halunke, der sich durch keinen Blick, keine Miene verraten wird. Ich habe die Ahnung, daß alles glücklich gelingen wird.“
Es war Neumond und also dunkel. Die Männer umschlichen die Hacienda und kamen an deren hintere Seite, als Mitternacht in der Nähe war.
„Da oben sind die Fremdenzimmer; da oben wohnt er“, sagte Pardero leise. „Er wird uns bald das Zeichen geben. Wollen wir einstweilen übersteigen?“
„Ja. Wir verstecken uns in einer dunklen Ecke.“
Die Mannschaften mußten draußen halten bleiben und sich hinter den Palisaden niederducken; die beiden aber stiegen über dieselben hinweg und schlichen sich in die nahe Ecke. Kaum hatten sie dort Posto gefaßt, so hörten sie den Sand des Hofes leise knirschen. Sternau war es, welcher daherkam.
„Nieder, ganz nieder! Es kommt jemand!“ flüsterte Verdoja.
Sternau kam langsam und leise herbei, blieb an der Ecke des Hauses stehen, horchte eine Weile nach der anderen Seite hin und schritt dann weiter.
„Er war es!“ sagte Pardero leise. „Was tun wir?“
„Drauf! Ich schlage ihn mit dem Kolben nieder. Droben macht er uns mehr Arbeit, als hier, wo wir ihn überraschen.“
„Aber wenn man ihn dann vermißt?“
„Man wird ihn nicht vermissen. Es sind alle zu Bett, und er ist auf eigenen Antrieb rekognoszieren gegangen.
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