44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
Herzen mitteile, obgleich eine mädchenhafte Regung mir gebieten will, es dir zu verschweigen. Sollte deine Reise länger dauern, als ich hoffe und erwarte, so findest du deine Rosa nicht mehr allein, sondern sie eilt dir entgegen, auf dem Arme einen kleinen Carlico oder eine allerliebste Rosilla, denn anders als Carlos oder Rosa werden wir das geliebte Wesen, welches mich für die Zukunft begeistert, doch nicht nennen. Freue dich mit mir und nimm die Millionen Küsse, welche dir über das weite Meer hinübersendet
Deine unendlich glückselige Rosa.“
Und wie selten eine Dame schreiben kann, ohne ein Postskriptum anzufügen, so folgte auch hier ein solches. Es lautete:
„P.S. – Du wirst nicht zürnen, daß ich dieselbe Botschaft auch meiner Amy mitgeteilt habe! Sie ist meine einzige Freundin gewesen und wird ganz glücklich sein, zu erfahren, welchen Wonnen ich entgegensehe.
Rosa.“
Sternau faltete den Brief zusammen, steckte ihn in die Brusttasche, damit er auf seinem Herzen ruhe, und ging hinunter. Er fing sich das wildeste Pferd ein, sprang auf und jagte in die weite Savanne hinein. Die Hacienda war zu klein für sein Glück. Und dennoch, als er zurückkehrte, war das erste, was er tat, er zog sich wieder in sein Zimmer zurück um den Brief aber- und abermals zu lesen und zu küssen. Es gibt einen Himmel bereits auf Erden, und dieser Himmel ist nur zu finden in einem Herzen, welches liebt und weiß, daß diese Liebe beglückt, weil sie erwidert wird. –
Anton Helmers, der Patient, trug bis jetzt auf dem Loch, welches in seine Schädeldecke gebohrt worden war, ein Stück gekochtes Leder, welches später mit einer Goldplatte vertauscht werden sollte. Er machte täglich vorsichtige Reitausflüge mit Sternau und erstarkte dabei so weit, daß er bald bedeutendere Strecken zurücklegen konnte, vorausgesetzt, daß er ein gutes Pferd hatte, welches einen sanften Gang besaß. Sternau setzte den Tag der Abreise fest; man wollte noch eine Woche in der Hacienda del Erina bleiben.
Diese Woche war für Emma und den Geliebten eine Zeit des Glücks gewesen, und beide hegten eine unendliche Dankbarkeit gegen Sternau, dem sie dieses Glück ja ganz allein zu verdanken hatten.
Pedro Arbellez war von Juarez, dem später so berühmten Präsidenten, zum Verwalter der Hacienda Vandaqua ernannt worden und daher oft drüben in der Nachbarbesitzung anwesend. Eines Tages war seine Anwesenheit wieder dort notwendig geworden; er sollte aber seinen künftigen Schwiegersohn vor dessen Abreise noch möglichst genießen, und so bat er ihn um seine Begleitung. Da bereits die Dämmerung nahe war, so sagte er, daß sie erst am nächsten Tag zurückkehren würden. Beide ritten ab.
Kurze Zeit, nachdem sie die Hacienda verlassen hatten, sah Sternau von seinem Fenster aus einen Reiter am Horizont auftauchen, welcher sich der Besitzung sehr schnell näherte. Als er näher kam, erkannte der Deutsche, daß es ein Lanzenreiter, und zwar ein Offizier war. Sternau ging rasch zu den übrigen, welche sich bereits im Speisesaal versammelt hatten, und meldete ihnen die Ankunft des Fremden.
Dieser ritt bereits nach kurzer Zeit in den Hof ein und wurde von Emma, als der Dame des Hauses, mit Höflichkeit empfangen.
„Hier ist die Hacienda del Erina?“ fragte er nach dem ersten Gruß.
„Ja“, antwortete ihm Emma.
„Deren Besitzer Pedro Arbellez heißt?“
„So heißt er; ich bin seine Tochter.“
„Dann erlauben Sie mir die Mitteilung, Señorita, daß ich ein Kurier bin, der mit Depeschen von Juarez nach Monclova geschickt wurde. Juarez sagte mir, daß Señor Arbellez mir gern Gastfreundschaft gewähren würde, wenn ich mein Ziel vor der Nacht nicht erreichen könnte.“
„Das versteht sich ja von selbst Señor. Zwar ist Vater nicht anwesend, er kehrt erst morgen zurück, aber Sie werden alles finden, was Sie zu Ihrer Bequemlichkeit bedürfen. Bitte, überlassen Sie ihr Pferd dem Vaquero, und folgen Sie mir nach dem Saal.“
Er folgte ihr mit dem Anstand und in der Haltung eines Edelmannes nach oben, wo sie ihn den dort anwesenden Herren vorstellte. Er mußte sich setzen und sofort an dem Mahl teilnehmen. An der Unterhaltung beteiligte er sich wenig, und als Sternau ihn nach dem gegenwärtigen Aufenthalt von Juarez fragte, sagte er ausweichend:
„Diplomatische und kriegerische Gründe verbieten zuweilen die Beantwortung einer solchen Frage, Señor. Juarez will nicht wissen lassen, wo er sich befindet.“
Das klang befremdlich.
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