44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
anbrennen?“
„Gewiß. Folgt mir!“
Sie öffneten leise die Tür des Zimmers und traten hintereinander hinaus auf den Korridor, auf welchen Enrico einen Strahl seiner Laterne fallen ließ, damit sie sich orientieren konnten; dann steckte er sie wieder in die Tasche zurück.
Verdoja führte die Leute zunächst vor die Tür Marianos, die sie ganz geräuschlos erreichten. Er klopfte einige Male leise an, bis von drinnen eine Stimme fragte:
„Wer ist es?“
„Ich, Sternau!“ antwortete er flüsternd, aber so, daß es drinnen gehört werden konnte.
„Ah, du! Was gibt es?“
„Mach schnell einmal auf! Ich habe dir etwas sehr Notwendiges zu sagen.“
„Gleich!“
Man hörte drin das Lager rascheln.
„Du brauchst kein Licht anzubrennen“, flüsterte der vorsichtige Verdoja.
Mariano zog die nötigsten Kleidungsstücke an und öffnete.
„Komm herein“, sagte er leise.
Er war neugierig, zu erfahren, was Sternau von ihm wolle, er hörte einen Mann eintreten, aber nicht, daß ihm mehrere folgten.
„Es muß etwas sehr Wichtiges sein“, meinte er. „Willst du nicht die Tür schließen?“
In demselben Augenblick wurde er bei der Gurgel gepackt; zwei Hände schlangen sich um seinen Hals und drückten ihm die Kehle so zusammen, daß ihm der Atem verging. Er konnte keinen Laut ausstoßen. Er wollte sich wehren, aber er wurde jetzt von vielen kräftigen Armen ergriffen; feste Riemen wanden sich ihm um Leib, Arme und Beine, und ein Knebel schloß ihm den Mund; dann erst ließen die beiden Hände von seinem Hals ab – er war gefangen.
„Den haben wir! Nun zu Helmers!“ sagte Verdoja.
Bei Helmers wurde ganz in derselben Weise und mit demselben Erfolg verfahren. Sternau, Mariano und Helmers waren gefangen, ohne daß jemand im Haus erwacht wäre.
„Jetzt nun zu der Señorita“, sagte Verdoja.
Auch an Emmas Tür wurde leise geklopft.
„Mein Gott, wer ist draußen?“ fragte sie.
Verdoja gab seiner Stimme den weichsten Flüsterton, als er antwortete:
„Ich bin es, Karja!“
„Was willst du?“
„Ich muß mit dir sprechen. Öffne, Emma!“
„Warum?“
„Nicht so laut. Es ist wegen des fremden Offiziers. Ich weiß nicht, ob ich Señor Sternau wecken soll.“
Emma ging in die Falle.
„Ah, es gibt eine Gefahr!“ sagte sie. „Warte, ich öffne sogleich!“
Man hörte, daß sie sich vom Lager erhob; sie kam an die Tür, schob den Riegel zurück und sagte mit leiser, aber vor Besorgnis zitternder Stimme:
„Komm herein! Was ist es denn?“
Verdoja huschte hinein und hatte sie im nächsten Augenblick bei der Kehle. Sie brach ohne jeden Versuch der Gegenwehr zusammen; der fürchterliche Schreck hatte sie ohnmächtig gemacht; sie lag am Boden, ohne sich zu regen. Verdoja fesselte und knebelte sie selbst; dann ging man nach dem Schlafzimmer der Indianerin.
Auch hier hatte die List denselben Erfolg, nur daß Karja nicht in Ohnmacht fiel. Sie war die Tochter eines Indianerhäuptlings und besaß nicht die zarten Nerven einer verwöhnten Mexikanerin.
Jetzt waren alle Personen, die man haben wollte, in den Händen der Räuber. Die ganze erste Etage befand sich im Besitz derselben. Verdoja und Pardero wußten, daß unten im Parterre einige Räumlichkeiten lagen, in denen Vaqueros schliefen. Sie wollten sich ihren Raub nicht gern streitig machen lassen und verboten daher jede Plünderung. Je vier ihrer Begleiter wurden zu Mariano und Helmers beordert, um ihnen ihre Kleider anzuziehen; Verdoja aber begab sich zu Emma, während Pardero die Indianerin aufsuchte.
Als Verdoja das Zimmer der Señorita betrat, war dasselbe noch dunkel. Er brannte die Kerze an. Emma lag noch ohnmächtig am Boden. Sie war nur mit einem leichten Hemd bekleidet, und die Augen des Wüstlings verschlangen die offenen Reize mit gierigen Blicken. Aber nicht jetzt wollte er sie genießen; jetzt war keine Muße dazu. Er befreite das Mädchen von ihren Banden und zog ihr die Kleider an, welche sie am Tag vorher getragen hatte, sie lagen noch auf dem Stuhl, dann suchte er aus dem Schrank noch einiges hervor, was ihm bei einem weiten Ritt dienlich schien, und nun nahm er bei ihr Platz, um ihr Erwachen zu erwarten.
Pardero fand Karja nicht leblos am Boden liegend. Sie wälzte sich hin und her und gab sich alle Mühe, sich ihrer Fesseln zu entledigen. Er zog die Tür hinter sich zu und brannte die Kerze an.
Da bot sich ihm ein Anblick, der ganz geeignet war, alle seine Sinne in Aufruhr zu versetzen. Karja hatte ohne alle Bekleidung
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