Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

Titel: 44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
‚Sie‘ und im höflichen Ton angeredet worden war, so antwortete er:
    „Ja.“
    Er hätte aber trotzdem keine Antwort gegeben, wenn ihm nicht der Gedanke durch den Kopf gefahren wäre, daß er jetzt entfliehen könne.
    „Werden Sie den Splitter entfernen können?“
    „Das weiß ich nicht. Ich muß das Auge erst untersuchen.“
    „So kommen Sie.“
    „Ich kann mich ja nicht erheben!“
    „Ah, so! Nun, ich werde Ihnen die Fesseln so weit abnehmen, daß Sie aufstehen können. Warten Sie!“
    Er nahm ihm die Riemen von den Beinen und Füßen und schob ihn dann zum Feuer, an dem Verdoja wimmernd saß.
    „Untersuchen Sie ihn!“ gebot Pardero.
    Verdoja nahm die Hand vom Auge, welches er geschlossen hielt, blickte ihn mit dem anderen grimmig an und sagte:
    „Kerl, wenn du mir das Auge nicht sofort wieder herstellst, so lasse ich dich mit glühenden Zangen zwicken. Sieh her!“
    Er hielt das verletzte Auge einige Sekunden lang geöffnet und Pardero leuchtete mit einem Feuerbrand dazu. Das Gespräch wurde natürlich in mexikanisch-spanischer Sprache geführt. Sternau war überzeugt, daß unter allen, die sich hier befanden, nur Helmers deutsch verstehe, und so sagte er, indem er das Auge sehr aufmerksam betrachtete, in deutscher Sprache:
    „Mut! Ich werde Euch befreien!“
    „Was sagst du da?“ brüllte Verdoja.
    „Wir Ärzte nennen jede Krankheit und Wunde bei ihrem lateinischen Namen, ich sagte den lateinischen Namen der Verletzung“, antwortete Sternau.
    „Geht der Splitter zu entfernen?“
    „Ja.“
    „Tut es sehr weh?“
    „Nein, fast gar nicht.“
    „So tue es, augenblicklich!“
    „Die Hände sind mir ja gebunden.“
    „Bindet ihn los!“ gebot Verdoja.
    „Aber wenn er entflieht!“ meinte Enrico.
    „Bist du klug?“ fragte Pardero. „Wir sind fünfzehn Mann. Wie will er uns entkommen? Bildet einen Kreis und nehmt ihn in die Mitte!“
    Dies geschah. Als Sternau die deutschen Worte sprach, hatte Helmers sich geräuspert, zum Zeichen, daß er ihn verstanden habe. Jetzt konnte Sternau handeln.
    „Mit dem Finger kann ich den Splitter nicht fassen“, sagte er. „Gebt mir ein Messer.“
    Er erhielt das Messer. Jetzt war er frei von allen Banden und hatte eine Waffe in der Hand. Es handelte sich nur noch darum, ein Gewehr mit Munition zu bekommen.
    Um das Lager weideten die Pferde. Die Gewehre waren in Pyramiden zusammengestellt, und Verdoja hatte über seinen um die Hüften gewundenen Schal einen breiten Gurt geschlungen, der ihm als Kasse diente. An demselben hing der Pulver- und Kugelbeutel. Sternaus Plan war in einer Sekunde gefaßt.
    Er betrachtete das Messer, es war gut, scharf und spitz. Nun trat er zu Verdoja heran und legte ihm die Hand auf den Kopf. Aller Augen waren auf die beiden gerichtet, am gespanntesten aber die Augen der Gefangenen.
    „Öffnen Sie das kranke Auge und schließen Sie das gesunde“, bat Sternau. Er beabsichtigte damit, Verdoja solle gar nichts sehen. Dieser folgte der Weisung, und nun näherte Sternau das Messer dem Gesicht des Ex-Kapitäns. Aber plötzlich fuhr er mit demselben niederwärts. Mit einem raschen Schnitte trennte er den Gurt vom Leib Verdojas und faßte ihn, da er seine Hände brauchte, zwischen die Zähne. In demselben Augenblick packte er Verdoja mit herkulischer Kraft und schleuderte ihn gegen die nahe stehenden Mexikaner. Drei oder vier derselben wurden niedergerissen; so entstand eine Bresche, durch welche Sternau in einem weiten Sprung hindurchflog. Im nächsten Moment hatte er eines der Gewehre an sich gerissen, und eine Sekunde später saß er auf dem Rücken eines Pferdes und galoppierte davon.
    Dies alles war so schnell geschehen, fast schneller, als man es denken kann. Als ein fünfzehnstimmiger Schrei des Schreckens erscholl, war es bereits zu spät. Ein jeder griff nach Gewehr oder Pistole; mehrere Schüsse wurden abgefeuert, aber keiner traf.
    „Auf! Ihm nach! Wir müssen ihn wieder haben!“ brüllte Verdoja.
    Einige warfen sich sofort auf die Pferde und sprengten nach der Richtung hin, in welcher er entflohen war, ihn einzuholen.
    Sternau ahnte natürlich, daß man dies tun würde. Indem er in immer gerader Richtung dahinfloh, untersuchte er seine Büchse. Es war ein Doppelgewehr, und zwar geladen. Das genügte; das mußte mehrere Verfolger das Leben kosten.
    Er hielt sein Pferd an und wendete den Kopf desselben in die Richtung, aus welcher er den Galopp der Verfolger hörte. Sie ritten nicht in einem Haufen, sondern sie hatten sich

Weitere Kostenlose Bücher