44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
einige der Zigaretten, die er den Toten abgenommen hatte.
Dann stieg er wieder auf und ritt gerade nach Norden. Das mußte aber mit sehr großer Vorsicht geschehen, da er in jedem Augenblick die Mexikaner sehen konnte, die ja von Nord nach Süd, also ihm entgegen, ihre Verfolgung beginnen mußten. Es waren seit Tagesanbruch wohl über vier Stunden vergangen, als er die Stelle erreichte, an welcher er die beiden letzten Mexikaner vom Pferd geschossen hatte. Er fand statt ihrer – einen Steinhaufen. Man hatte sie also bereits gefunden und begraben.
Als Sternau jetzt den Boden untersuchte, kam er zu der Überzeugung, daß der ganze Trupp mit samt den Gefangenen aufgebrochen sei, um seiner Spur zu folgen. Er lachte, denn er befand sich, da er einen Kreis geritten war, ja hinter ihnen, während sie ihn vor sich glaubten. Er folgte ihnen unverzüglich, gab aber vorher eines seiner Pferde frei. Er suchte sich dazu das am wenigsten gute aus, nahm ihm alles ab, sogar Sattel und Zaum, und trieb es dann in die Berge hinein. Er hatte nur noch ein Leittier zu führen, und darum ging es nun leichter vorwärts als vorher.
Sternau erreichte die Stelle, an welcher er nach Süden abgelenkt war. Er sah an den Spuren, daß man hier angehalten hatte, um zu beraten, doch war man ihm nachher gefolgt.
Als er nach zwei Stunden an die Stelle kam, an welcher er nach Osten umgekehrt war, zeigten die Hufspuren, daß man hier abermals eine Beratung vorgenommen hatte, doch war das Ergebnis derselben jetzt ein anderes gewesen. Die Mexikaner hatten von seiner Spur abgelassen und waren von hier aus nach Westen geritten, also gerade in die Wüste Mapimi hinein.
Er folgte ihnen. Sie waren einen solchen Ritt nicht gewöhnt. Indianer und Jäger reiten stets im Gänsemarsch, damit man aus der Fährte ja ihre Anzahl nicht erkennen kann; diese Mexikaner aber hatten eine breite Truppe gebildet. Sternau zählte fünfzehn einzelne Pferdespuren; sie waren also, außer den vier Getöteten, alle beisammen, Verdoja, Pardero, vier Gefangene und neun Mexikaner. Er hatte gute Hoffnung, heute abend ihr Lager zu beschleichen und wieder einige von ihnen zu töten. Mit diesem tröstlichen Gedanken sprengte er vorwärts, zumal er sah, daß auch sie Galopp geritten waren. –
Als am gestrigen Abend die vier Mexikaner dem Entflohenen nachsprengten, horchten die Zurückbleibenden still und lautlos in die Nacht hinein. Sogar Verdoja vergaß die Schmerzen seines Auges. Sie alle waren überzeugt, daß Sternau eingeholt werde.
Es blieb längere Zeit still, dann aber fielen in bedeutender Ferne zwei Schüsse. Der Schall war so leise, daß man ihn kaum noch zu vernehmen vermochte.
„Sie haben ihn!“ rief Pardero.
„Ja, aber nicht lebendig!“ zürnte Verdoja. „Sie haben ihn erschossen, die Schurken! Wie kann ich mich nun an ihm rächen? Wer soll mein Auge behandeln?“
„Vielleicht ist er nur verwundet“, meinte einer der Mexikaner. „Dieser Kerl scheint ein zähes Leben zu haben.“
„Dann bringen sie ihn herbei. In einer halben Stunde sind sie sicher da!“
Aber die halbe Stunde verging, und es kam niemand. Verdoja wurde unruhig. „Warum zaudern die Kerls!“ meinte er. „Ich werde sie für diese Nachlässigkeit zu bestrafen wissen!“
Es verging eine halbe und noch eine ganze Stunde, ohne daß sich jemand sehen ließ. Das Auge Verdojas schmerzte so, daß er ein Tuch vorbinden mußte. Es träufelte ihm eine scharfe Flüssigkeit über die Wange herab, an der er stets zu wischen hatte. Er konnte nicht schlafen. Darum erging er sich während der ganzen Nacht in zornigen Flüchen, und als die Dämmerung nahe war, sandte er zwei Mexikaner aus, um ihre vier Kameraden zu suchen.
Sie setzten sich auf ihre Pferde und ritten davon. Bereits nach einiger Zeit fanden sie einen Toten an der Erde liegen. Der Schädel war ihm zerschmettert und man hatte ihm alles abgenommen, was er bei sich trug.
„Was ist das? Wer hat das getan?“ fragte der eine schaudernd.
„Sternau?“
„Nein, das ist unmöglich! Er wäre ja während des Kampfes und des Plünderns von den anderen dreien ergriffen oder getötet worden. Wir können jetzt hier nichts tun als weiter reiten.“
Sie hatten kaum dreihundert Schritte zurückgelegt, so trafen sie auf eine zweite Leiche, welcher ebenso der Kopf zerschmettert war. Auch sie war ausgeraubt. Die beiden Männer blickten einander fragend an und ritten weiter, ohne ein Wort zu sprechen; es war ihnen unheimlich zu Mute.
Nach fünf Minuten
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